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Nabat

Mit Nabat steht eine starke Frauenfigur im Mittelpunkt des gleichnamigen Films des aserbeidschanischen Regisseurs Elchin Musaoglu. Nabats Dorf hat sich durch die Folgen eines jahrelangen bewaffneten Konflikts entvölkert. Sie ist zunehmend auf sich gestellt – aus der Ferne beobachtet von einer Wölfin.

Aserbeidschan als Filmnation existiert in westeuropäischen Köpfen kaum – dabei wurde in dem Land, namentlich in der Hauptstadt Baku, schon Ende des 19. Jahrhunderts gefilmt, und es gab früh internationale Vernetzungen nach Paris und Belgien. Heute kommen selten Filme aus Aserbeidschan an internationale Festivals, geschweige denn in europäische Kinosäle. Nabat stellt eine Ausnahme dar. Der Spielfilm des 1966 in Baku geborenen Regisseurs Elchin Musaoglu, der in seinem Land bisher vor allem aufgrund seiner Dokumentarfilme bekannt war, wurde als Oscar-Kandidat für den besten fremdsprachigen Film 2014 angemeldet und war an Festivals u. a. in Venedig, in den USA oder auch in Japan zu sehen.
Die Handlung ist in einer ländlichen Umgebung wie Berg-Karabach angesiedelt – allerdings bleibt das Geografische im Ungefähren. Nabat ist ein stilles, eindringliches Epos mit universellem Anspruch. Ein Requiem für zerstörte Lebenswelten. Und eine Hommage an die beinahe mythische Widerstandskraft von Mutterfiguren.
Bereits die erste Einstellung legt den visuellen Stil und den narrativen Rhythmus des Films fest: In einer kargen Landschaft ist auf einem staubigen Bergweg eine ältere Frau unterwegs. Als sie näher kommt, erkennen wir, dass sie auf jedem Arm ein Milchgefäss aus Glas trägt. Weiss leuchten die Milchbehälter im vorwiegend braun-grauen Gesamtbild. Die Frau trägt sie vorsichtig mit beinahe unermüdlicher Kraft, wie zwei Neugeborene, nahe ihren Brüsten. Das ist Nabat auf ihrem Gang ins Dorf, wo sie für die Milch ihrer geliebten Kuh Aghja ein paar Geldscheine in die Hand gedrückt bekommt. Doch während Nabat stoisch ihrem Alltagsgeschäft nachgeht, herrscht Ausnahmezustand. Viele Häuser stehen verlassen, eine Familie packt gerade ihr Hab und Gut in einen klapprigen Wagen. Wir begleiten Nabat – dargestellt von der iranischen Schauspielerin Fatemeh Motamed-Aria – auf ihrem Weg durch das Dorf, in einen beinahe leeren Laden und zu einem Fotografen, der das Bild ihres Sohnes nicht mehr findet, zum Dorfvorsteher, schliesslich zurück zum einsamen Haus auf dem Hügel, wo sie ihr von schwerer Krankheit gezeichneter Mann erwartet.
Nabats Gang ist von äusserst spärlichen Dialogen begleitet; mit langsamen Schwenks und Kranfahrten hält sich die Kamera meist auf Distanz und dokumentiert auf diese zurückhaltende Weise die Veränderungen. Die Folgen eines lang andauernden bewaffneten Konflikts treten in metaphorischer Verdichtung deutlicher hervor als in manchem Kriegsfilm. Soldaten treten kaum in Erscheinung, der Krieg aber wird durch seine Auswirkungen fassbar: die Zerstörungen, Nabats Sehnsucht nach ihrem getöteten Sohn, die Abwesenheit der Dorfbewohner nach einer weiteren Nacht mit Bombardierungen, die Spuren überstürzter Flucht. Nabat ist bald ganz auf sich alleine gestellt: Die Häuser verwandeln sich in ein Geisterdorf, und als ihr Mann stirbt, ist sie es, die sein Grab schaufelt. In einem aussichtslosen Aufbegehren gegen den Lauf der Dinge stellt sie Öllampen in die Fenster der verlassenen Häuser: Mahn- und Totenwache zugleich. Eines Tages ist auch Aghja verschwunden. Nur eine Wölfin, die sich um ihre Neugeborenen kümmert, wird zu einer vorübergehenden Gefährtin – und auch zur Doppelgängerin der Protagonistin.

Elchin Musaoglu (Aserbeidschan 2014)

Der Dokumentarist Elchin Musaoglu zeigt sich bei seinem zweiten Spielfilm als Meister der hintergründigen Inszenierung. Ausgehend von einer wahren Geschichte, erzählt er von der alten Bäuerin Nabat und ihrem kranken Mann, die auf ihrem Hof ausharren, während das nahe Dorf wegen wachsender Kriegsgefahr zur Geisterstadt wird. Musaoglu destilliert aus dieser schmalen Handlung eine berückende Parabel, die unmerklich vom Realistischen ins Traumhafte übergeht.

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Drehbuch: Elchin Musaoglu, Elkhan Nabiyev
Kamera: Rahim Besharat
Musik: Hamed Sabet
Schnitt: Babak Shirinsefat

Mit: Fatemah Motamed-Aria (Nabat), Vidadi Aliyev (Iskender), Sabir Mammadov (Dorfvorsteher), Farhad Israfilov (Davud)

105 Min., Farbe, DCP, Aseri/d

Spieldaten


Vergangene Vorstellungen:
Sa.,
16.5.2015
18:15
So.,
17.5.2015
15:00
Mo.,
18.5.2015
20:45
Di.,
19.5.2015
18:15
Mi.,
20.5.2015
15:00
Di.,
26.5.2015
21:00
So.,
31.5.2015
17:30
Do.,
4.6.2015
20:45
Mo.,
8.6.2015
21:00