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Sicilia!

Im November ist der Filmemacher Jean-Marie Straub wenige Wochen vor seinem 90. Geburtstag in Rolle verstorben. Das Filmpodium erinnert an den grossen Filmstilisten, der die meisten Werke zusammen mit seiner Partnerin Danièle Huillet realisiert hatte, mit der einmaligen Vorstellung einer 35-mm-Filmkopie von Sicilia! (1998).

«Jean-Marie Straub wurde am 8. Januar 1933 in Metz geboren. Er eignete sich sein Filmwissen an, indem er sich viele Filme ansah und bei Dreharbeiten von Astruc, Bresson, Gance und Renoir assistierte. Während des Algerienkriegs floh er aus Frankreich und fand in Deutschland Zuflucht. Dort operierte er 1963 bei Machorka-Muff zum ersten Mal als Regisseur und wurde später zu einer der bedeutendsten Figuren des Neuen Deutschen Films. Er überzeugte mit einem schlichten Stil, einer anspruchsvollen Inszenierung und einer strammen Schreibweise. Im November 1954 lernte Straub Danièle Huillet kennen. Sie wurden ein Paar und blieben durch ihr entschlossenes Denken, ihr unaufhörliches Hinterfragen, ihre Ablehnung von Moden und ihr Vertrauen in den Blick und die Intelligenz des Publikums in einer unerschütterlichen Gefährtenschaft vereint. In ihrer anspruchsvollen Vision des Filmschaffens erarbeiteten Jean-Marie Straub und Danièle Huillet [die bereits 2006 verstarb] ein grundlegend modernes Werk, das seinesgleichen sucht. Die Klarheit der Einstellungen, Klänge und Texte setzte eine neue Art der filmischen Gestaltung durch, die der Aufrichtigkeit von Diskurs und Form sehr nahe kommt.» (Frédéric Maire, Direktor der Cinémathèque suisse, 20.11.2022)

> Gesamter Text von Frédéric Maires Nachruf auf Jean-Marie Straub

Danièle Huillet, Jean-Marie Straub (Italien/Frankreich/Deutschland 1998)

Ein Mann kommt aus dem Norden Italiens nach Messina. Er fährt mit dem Zug weiter nach Syrakus, trifft im Abteil auf einige merkwürdige Typen (Spione?) und einige typische Sizilianer. Schließlich besucht er seine Mutter, die von ihrem Mann wegen einer anderen Frau verlassen wurde. In der letzten Sequenz spricht er vor der Kirche mit einem Scherenschleifer. Fotografiert ist der Film in klassischem Schwarzweiß (welch ein Genuß!) von William Lubtchansky. Ein Nichts an Handlung und dennoch ein ungewöhnlich lebendiger Film. Das liegt zunächst an den Dialogen, die im schnellen Wechselspiel aufeinanderfolgen, oft witzig sind, manchmal pathetisch, immer erdverbunden - wieder und wieder wird über das Essen gesprochen, weil es oft fehlte. Man merkt den Texten an, daß sie vor einigen Jahrzehnten geschrieben wurden, aber in der Konzentration der Auswahl und der Sprechweise bekommen sie etwas Zeitloses. In Sizilien hat sich nicht viel geändert. Straub/Huillet haben sich auch optisch dem Sprechrhythmus angepaßt - Sicilia! ist schneller geschnitten als die meisten ihrer früheren Filme. In der Eisenbahn und beim Gespräch mit dem Scherenschleifer hat der Film fast den Schwung der Commedia dell'arte, bei der Leidensgeschichte der Mutter wird er zur Großen Oper. (Wilhelm Roth, Viennale 1999)

Drehbuch: Danièle Huillet, Jean-Marie Straub, nach dem Roman «Conversazione in Sicilia» von Elio Vittorini
Kamera: William Lubtchansky
Schnitt: Danièle Huillet, Jean-Marie Straub

Mit: Gianni Buscarino (Sohn), Angela Nugara (Mutter), Vittorio Vigneri (Scherenschleifer), Carmelo Maddio (Orangenverkäufer), Ignazio Trombello (Polizist), Simone Nucatola (Polizist), Giovanni Interlandi (Reisender)

66 Min., sw, 35 mm, I/d

Spieldaten


Vergangene Vorstellungen:
Di.,
27.12.2022
18:30