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India Song
Marguerite Duras (Frankreich 1975)

Eine Inhaltsangabe im üblichen Sinne ist in diesem Falle so unmöglich wie bei einem Gedicht, bei einem Lied - der Titel des Films weist ja bereits in diese Richtung - oder einem Musikstück. (...) India Song ist Erinnerung und Reflexion, Traum (oder Alptraum) und Gespräch. Aus dem Gespräch von vier Personen im Off vernehmen wir Einzelheiten von zwei ineinander verwobenen Liebesgeschichten und erkennen bald, dass alles bereits vorbei ist, dass es Geschichten des Sterbens sind, des Todes, die sich auf der französischen Botschaft in Indien abgespielt haben. Ein anderes Element ist die Musik von Carlos D'Alessio mit ihrer fast hypnotischen Wirkung, dieser India Song in allen Variationen der Gefühle, einmal melancholisch, dann von betörender Erotik und wieder versonnen, still. Ein anderes die Bilder, aufgenommen von Bruno Nuytten, dunkel oft, stimmungstragend und ästhetisierend, Bilder einer europäischen Architektur, einer französischen Villa, Bilder aus der Umgebung von Marguerite Duras, unindische Bilder, die dennoch den Ganges, die Landschaft und die Vegetation, das Klima des Deltas und die melodischen Namen ferner Städte tragen: Nährboden der Erinnerung.
Drei Elemente, die isoliert zu betrachten, schon wieder falsch ist, weil sie ihre Wirkung nur im Zusammenspiel haben können, einem Zusammenspiel, das sich noch am ehesten mit musikalischen Kompositionsprinzipien vergleichen lässt oder mit lyrischen Formen, mit ihren Rhythmen und Sprachmelodien. Man könnte sogar so weit gehen, von einer Austauschbarkeit, einer Wechselwirkung zu sprechen, indem Wort - Marguerite Duras hat sich selbst dahingehend geäussert - zu Musik, Musik zu Bild, Raum zu Person werden kann.
Die Personen, Anne-Marie Stretter, die Gattin des französischen Botschafters in Indien, der Vizekonsul von Lahore und die «gesichtslose», nie in Erscheinung tretende, doch stets präsente Bettlerin etwa, scheinen sich in einem Totentanz zu bewegen, einem sinnlichen, langsamen Tango vor grossen Spiegeln. (...) Gefühle werden beschworen, Erinnerungen an Gefühle, an unausgelebte Emotionen, und Gedanken, intellektuell exakte Beschreibungen von Zuständen,von Empfindungen, vonAugenblicken. Filmgedicht - einebloss vage Bezeichnung für India Song. Die verschiedenen Ebenen, von Kommentar und Bild, die sich ständig durchdringen, zwingen zum Mitgehen oder bewirken Ablehnung, lösen die eigene Phantasie, Vorstellungen aus oder bleiben blosses in Künstlichkeit sich erschöpfendes Spiel, werden bedeutsam oder bleiben bedeutungslos. Das Rätselhafte ist jedoch vielleicht gerade das Stärkste in India Song. Dieser Film ist eigentlich eine einzige Beschwörung von Liebe und Tod, die Beschwörung eines "unbegrenzten Zustandes des Individuums mit viel Spielraum", doch "bodenlos, ohne Ende", in dem es gilt, sich zu finden, sich - wenn nötig - Zusammenhänge zu geben.» (Fred Zaugg, in: Zoom, Nr. 14/1977)

Drehbuch: Marguerite Duras, nach ihrem Buch
Kamera: Bruno Nuytten
Musik: Carlos D'Alessio
Schnitt: Solange Leprince

Mit: Delphine Seyrig (Anne-Marie Stretter), Michel Lonsdale (Vizekonsul), Mathieu Carrière (junger Botschaftsattaché), Claude Mann (Michael Richardson), Vernon Dobtcheff (George Crawn), Didier Flamand (junger Gast), Satasinh Manila (Stimme der Bettlerin)

119 Min., Farbe, 35 mm, F

Spieldaten


Vergangene Vorstellungen:
So.,
14.1.1996
18:00
Mo.,
15.1.1996
20:30