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Sürü (Die Herde)
Zeki Ökten, Yilmaz Güney (Türkei 1979)

«Ein junger Nomade, der sich mit seiner Frau aus den Zwängen der anatolischen
Hirtenkultur zu befreien versucht, bringt seine Schafherde zum Verkauf nach Ankara, findet dort aber nicht die ersehnte Freiheit, sondern geht mit seiner Frau an der fragwürdigen Zivilisation endgültig zugrunde. Eine harte Anklage gegen Korruption und Gewalt in der türkischen - Gesellschaft und eine überzeugende Studie über das Aufeinanderprallen zweier Kulturkreise - formal perfekt und im politischen Engagement von überzeugender Kraft.» (Lexikon des internationalen Films)
Yilmaz Güney (1937-1984), die überragende Figur des modernen türkischen Films, der aus obsküren Gründen zu einer langjährigen Haftstrafe veruteilt worden war, hat das Drehbuch zu Sürü im Gefängnis geschrieben und auch die Dreharbeiten mit
detaillierten Anweisungen dirigiert. Der Film wurde zu einem der Höhepunkte seines
Werkes und zu einem international stark beachteten Erfolg.
«Sürü ist ein Film von archaischer Wucht. Einfach und klar in seiner Erzählstruktur, aussagekräftig in seinen Bildern, löst er tiefe Betroffenheit aus. Seine Kraft gewinnt er durch den Vorgang, das harte Los der anatolischen Nomaden am Beispiel einer Sippe aufbrechen zu lassen. An den Veysikans wird für den Filmbesucher fast physisch miterlebbar, wie ein einst stolzer und auch reicher Stamm durch den sukzessiven Entzug seiner Existenzbedingungen verkümmert und schliesslich auch noch zum Objekt der Ausbeutung wird. Der einzelne Mensch ist den dadurch entstehenden Anforderungen und Nöten nicht mehr gewachsen und versucht sich mit den ihm gegebenen Möglichkeiten irgendwie über die Runden zu bringen. Der alte Hamo beispielsweise klammert sich mit aller Kraft an seine hergebrachten Rechte als Familienoberhaupt, die er - wohl in einer durch seine Ohnmacht hervorgerufenen Verzweiflung - rücksichtslos anwendet und damit das Schicksal seiner Sippe nur noch verschlimmert. Dies wiederum löst den Widerstand seines Sohnes Sirvan aus, der sich, alten, ungeschriebenen Gesetzen zufolge, nur im Verlassen der Sippe äussern kann. (...)
Wenn Ökten den Zuschauer zu Beginn des Filmes in die karge Landschaft Anatoliens führt und die Lebensweise der Nomaden zeigt, mag leicht der Eindruck entstehen, dies seien Bilder aus einer fernen Vergangenheit. Doch spätestens wenn der erste moderne Traktor wie ein phantastisches Gerät von einem fernen Planeten auftaucht, wenn bunte Plastikutensilien die Geschäftsauslagen im nahegelegenen verschlafenen Städtchen dominieren oder ein schlauer Händler dem jüngsten Sohne Hamos historische Steintafeln für die Touristen zu einem Spottpreis abkauft, findet man sich in der Gegenwart wieder. In der Gegenüberstellung archaischer, von den Einflüssen westlicher Zivilisation noch kaum berührter Lebensweise und sichtbarer, allgegenwärtiger Zeichen moderner "Errungenschaften" wird der Einbruch in die Lebensart und das soziale Gefüge der nomadisierenden Bauern drastisch und eindringlich dargestellt.
Es mag das Eindringen einer modernen westlichen Wirtschaftsordnung und Plastikkultur in eine alte, auch religiösen Gesetzen folgende Lebensweise die Nomaden in den abgelegenen Gebieten des Landes am unmittelbarsten treffen. Dass damit das Zusammenleben des ganzen türkischen Volkes in schwerwiegendster Weise tangiert wird, macht Ökten spätestens dann klar, wenn Hamo zusammen mit seinen Söhnen die Schafherde durch die Strassen Ankaras zum Sammelplatz treibt. Diesen Bildern haftet überhaupt nichts Pittoreskes an, sondern sie symbolisieren in eindringlicher, unübersehbarer Weise die ungeheure Spannung, wie sie durch das Aufeinanderprallen grundsätzlich verschiedener Kulturen entsteht.» (Urs Jaeggi, in: Zoom-Filmberater, Nr. 4/1980)

Drehbuch: Yilmaz Güney
Kamera: Izzet Akay
Musik: Zülfü Livaneli
Schnitt: Özedemir Aritan

Mit: Melike Demirağ (Berivan), Tarik Akan (Sirvan), Tuncel Kurtiz (Hamo), Levent Inanir (Silo), Yaman Okay (Abuzer), Erol Demiröz, Meral Niron, Savaş Yurttaş

129 Min., Farbe, 35 mm, Türk/d/f, ab 12 J.

Spieldaten


Vergangene Vorstellungen:
So.,
14.4.1996
18:00
Mo.,
15.4.1996
20:30