«Mit Die Wanderschauspieler gelang Angelopoulos sein Meisterwerk - ein Film überragenden Formats, möglicherweise der "Film eines Jahrzehnts", gleichermassen bedeutend als Vision der Geschichte wie als Entwurf einer neuartigen Filmästhetik. Vermittelt durch die Erlebnisse einer Truppe von Wanderschauspielern, die an verschiedenen Orten das Folklorestück "Golfo, die Schäferin" aufführen, gibt der Film einen Querschnitt durch die Geschichte Griechenlands zwischen 1939 und 1952 - von der Metaxas-Diktatur über die Besetzung Griechenlands durch deutsche Truppen, über den Widerstandskampf, die Befreiung, den "Blutsonntag" von 1944 und den Bürgerkrieg, der von 1946 bis 1949 dauerte, bis zum Machtantritt des rechtsgerichteten Marschalls Papagos. Die Wanderschauspieler beginnt im Jahre 1952 und geht dann in Rückblenden bis 1939 zurück.
Der "Schlüssel" des Films ist die fortwährende Umwandlung von Theater in Geschichte und umgekehrt. Kein einziges Mal kann die Schauspielertruppe ihr Stück zu Ende spielen: immer intervenieren die Zeitereignisse auf unterschiedliche Weise und erzwingen den Abbruch (oder die Veränderung) des Stücks; aber die Geschichte, die so hereinbricht, verwandelt sich ihrerseits in eine Art von Theater. Angelopoulos hält diese Verwandlungen und Einbrüche in einer minutiös ausgeklügelten Technik komplizierter Kamerabewegungen fest. Einzelne Einstellungen sind bis zu neun Minuten lang; der ganze, nahezu vier Stunden dauernde Film besteht nur aus 80 Einstellungen (normal sind mehrere Hundert für einen Film von 90 Minuten). Darüber hinaus enthält der Film auch noch eine dritte Ebene: alle Personen des Geschehens spielen gleichzeitig eine bestimmte Rolle im Zusammenhang der Atriden-Sage. Orest kehrt vom Partisanenkrieg in den Bergen zurück, um den Tod seines Vaters durch deutsche Okkupanten an Klytemnästra und ihrem Liebhaber zu rächen. Das ereignet sich wiederum im Theater während des Stücks "Golfo"; Orest betritt die Bühne und feuert seinen Revolver ab, was das Publikum als unerwartete Zugabe beklatscht. Wie hier verschmilzt immer wieder Metaphorisches und Realistisches. (...)
Die Wanderschauspieler ist ein Film, der durch seine formalen Mittel den Illusionscharakter des Kinos unterwandert, dabei aber auch das Emotionale nicht austilgt, sondern es sublimiert. Die Anfangs- und Schlusseinstellung des Films - die Wanderschauspieler verstreut herumstehend als kleine Gruppe vor der Kulisse eines Bahnhofs - ist eine der schönsten und bewegendsten der Filmgeschichte.» (Ulrich Gregor)
Drehbuch: Theo Angelopoulos
Kamera: Giorgos Arvanitis
Musik: Loukianos Kilaidonis
Schnitt: Takis Davlopoulos, Giorgos Triantafillou
Mit: Eva Kotamanidou (Elektra), Aliki Georgouli (ihre Mutter), Stratos Pachis (ihr Vater), Maria Vassiliou (Chrysothemis, ihre Schwester), Vangelis Kazan (Truppenmitglied), Petros Zarkadis (Orestes), Iannis Firos (Akkordeonist), Nina Papasafiropoulos (alte Schauspielerin), Alexis Boubis (alter Schauspieler), Kyrianos Katrivanos (Truppenmitglied), Grigoris Evangelatos (Poet)
223 Min., Farbe, 35 mm, Gr/d/f