Der Italiener Tinto Brass gehört zu den raren filmenden Erotomanen, die ihren Voyeurismus nicht nur geschickt zu ästhetisieren, sondern auch ironisch zu brechen wissen. Zu seinen schwerelosen Frivolitäten gehört die frühe Romanverfilmung La chiave, in der ein lüsterner alternder Kunstprofessor im faschistischen Venedig seiner leicht verklemmten jüngeren Frau sein offenherziges Tagebuch zuspielt und ihr überdies den Verlobten seiner Tochter zuhält, um das eheliche Sexualleben anzuheizen. Als sich die Frau offenherziger, aber auch eigensinniger als erwartet auf das Erotisierungsspiel einlässt, bekommt es eine Dynamik, die Kalkül und Selbstzweck verschmelzen lässt und den Alten schliesslich überfordert.
Brass nimmt bei der Inszenierung dieses Reigens von Lug und (Selbst-)Betrug etliche psychologische Steilwandkurven, legt mit liebevollem Verweilen bei den üppigen Reizen Stefania Sandrellis aber eine sympathische Unbekümmertheit um engherzige Schönheitsideale an den Tag, wie sie gerade die faschistische Ästhetik pflegte. In den besten Szenen steigert sich diese Unbekümmertheit zu surrealem Humor. (afu)
Drehbuch: Tinto Brass, nach einem Roman Junichiro Tanizaki
Kamera: Silvano Ippoliti
Musik: Ennio Morricone
Schnitt: Tinto Brass
Mit: Stefania Sandrelli (Teresa Rolfe), Frank Finlay (Nino Rolfe), Barbara Cupisti (Lisa Rolfe), Franco Branciaroli (Laszlo Apony), Maria Grazia Bon
116 Min., Farbe, 35 mm, I/d/f