Kay fürchtet sich vor Bäumen. Deren ständiges Wuchern und Spriessen bereitet ihr Albträume, so sehr steht die Vitalität im Gegensatz zu ihrem eigenen Dasein, das vor lauter irrationalen Zwängen und Ängsten so eng ist wie die Räume ihres Vorstadthäuschens. Hier bemüht sich die farblose, introvertierte junge Frau, mit ihrem Geliebten ein normales Leben zu führen, das ziemlich erstarrt scheint – bis ihre Schwester Sweetie sich bei ihr einnistet und das Chaos ausbricht. Sweetie ist laut, ungezügelt, üppig, was ihre Schwester an Leben zu wenig hat, hat sie zu viel. Als die Eltern der beiden ins Spiel kommen, wird allmählich klar, dass die Gegensätzlichkeit der Schwestern symptomatisch ist für die aus dem Lot geratenen Familienverhältnisse. Die Verletzungen aus der Kindheit schmerzen unter der Oberfläche des Alltags weiter, die Neurosen lauern immer gleich um die Ecke und werden durch einen ganz eigenen, skurrilen Kamerastil verbildlicht, der eine Balance zwischen Tragik und Komik findet. Sweetie ist eine distanzierte, grotesk-schwarze Studie über traumatische Familienbindungen, die lähmende Macht von Geheimnissen und die Überwindung ihrer Folgen. (nat)
Drehbuch: Gerard Lee, Jane Campion
Kamera: Sally Bongers
Musik: Martin Armiger
Schnitt: Veronika Jenet
Mit: Geneviève Lemon (Dawn «Sweetie»), Karen Colston (Kay), Tom Lycos (Louis), Jon Darling (Gordon), Dorothy Barry (Flo), Michael Lake (Bob), Andre Pataczek (Clayton), Jean Hadgraft (Mrs. Schneller), Paul Livingston (Teddy Schneller), Louise Fox (Cheryl), Ann Merchant (Paula), Robyn Frank (Ruth)
97 Min., Farbe, 35 mm, E/d