Als Stand-up-Comedian und in seinen frühen Slapstickfilmen kreierte Woody Allen in den sechziger und frühen siebziger Jahren sein sprichwörtlich gewordenes Alter Ego des «Stadtneurotikers», der sich mit einer unwiderstehlichen Mischung von Ungeschicklichkeit, Egozentrik und Ironie durch den typischen Alltag grossstädtischer Intellektueller in der «Ich-Dekade» nach 1968 wurstelt und dabei von einer Beziehungskatastrophe in die nächste stolpert. Ihren grossen Durchbruch erlebte diese Figur in Allens dritter Zusammenarbeit mit seiner damaligen Lebenspartnerin Diane Keaton (Geburtsname: Diane Hall; Spitzname: Annie), die den idealen weiblichen Gegenpart zum Stadtneurotiker abgab. Die Romanze der beiden präsentiert der Film aus der Rückblende als hinreissendes Potpourri komisch-melancholischer Vignetten. Die formalen Einfälle reichen dabei von der Einblendung des Subtextes einer Flirtszene über Split-Screens mit beiden Protagonisten bei ihren Analytikern bis zu Direktansprachen Allens ans Publikum. Während seine Figur im Verlauf der Handlung auf bezeichnende Weise stagniert, entwickelt die anfänglich ähnlich unsichere Annie als Frau und als Sängerin eine Selbstständigkeit, in der sich auch die Emanzipationsgeschichte der siebziger Jahre spiegelt. (afu)
Drehbuch: Woody Allen, Marshall Brickman
Kamera: Gordon Willis
Schnitt: Ralph Rosenblum, Wendy Greene Bricmont
Mit: Diane Keaton (Annie Hall), Woody Allen (Alvy Singer), Tony Roberts (Rob), Carol Kane (Allison), Paul Simon (Tony Lacey), Shelley Duvall (Pam), Janet Margolin (Robin), Christopher Walken (Duane Hall), Colleen Dewhurst (Mrs. Hall), Donald Symington (Mr. Hall), Sigourney Weaver (Alvys Date vor Theater), Truman Capote (Truman-Capote-Doppelgänger, ungenannt)
93 Min., Farbe, 35 mm, E/d, 14/12 J