Zehn Jahre nach Rouben Mamoulians Stevenson-Verfilmung für Paramount erwarb das für besonders glamouröse Produktionen bekannte MGM-Studio die Rechte am viktorianischen Schauerroman über den Doktor mit den zwei Gesichtern und machte daraus einen seiner phänomenalen Ausstattungsfilme mit Starbesetzung. Spencer Tracy, für die Rolle des Wüstlings weder sonderlich bekannt noch prädestiniert, gibt den aufrechten Dr. Jekyll, der das Böse im Menschen isolieren will und sich beim medizinischen Selbstversuch vorübergehend in den Unhold Hyde verwandelt. Die 20-jährige Lana Turner und David O. Selznicks 26-jährige schwedische Neuentdeckung Ingrid Bergman, beide ebenfalls gegen den Strich besetzt, spielen Jekylls Braut bzw. das leichte Mädchen Ivy, um dessentwillen sich Jekyll anfänglich bewusst und am Ende unkontrollierbar in Hyde verwandelt. Unter den Bedingungen der Selbstzensur, die sich Hollywood im Lauf der dreissiger Jahre auferlegt hatte, erscheint Stevensons Parabel über die Wiederkehr der verdrängten Sexualität hier in seltsamer Abdämpfung, doch kompensiert Ingrid Bergman die Verbürgerlichung der vulgär-lasziven Ivy-Figur mit einer durchaus einleuchtenden masochistischen Faszination für ihren Peiniger. Die Ivy-Rolle, die ihre Tochter Isabella Rossellini in den Filmen David Lynchs mehr als vierzig Jahre später gespenstisch übersteigern sollte, blieb lebenslang ihre liebste. (afu)

Drehbuch: John Lee Mahin, nach dem Roman «The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde» von Robert Louis Stevenson
Kamera: Joseph Ruttenberg
Musik: Franz Waxman
Schnitt: Harold F. Kress

Mit: Spencer Tracy (Dr. Harry Jekyll/Mr. Hyde), Ingrid Bergman (Ivy Peterson), Lana Turner (Beatrix Emery), Donald Crisp (Sir Charles Emery), Ian Hunter (Dr. John Lanyon), Barton MacLane (Sam Higgins), C. Aubrey Smith (Bischof), Peter Godfrey (Poole), Sara Allgood (Mrs. Higgins), Frederic Worlock (Dr. Heath), Frances Robinson (Marcia)

108 Min., sw, Digital SD, E/e