Pierre Étaix ist der vielleicht berühmteste Unbekannte im französischen Nachkriegskino. Wegen komplizierter Rechtsstreitigkeiten waren seine Filme bis vor zwei Jahren von den Leinwänden verbannt. Sie sind, wie die seines zeitweiligen Lehrmeisters Jacques Tati, charmante Etüden des visuellen Erzählens – denen beispielsweise der Neo-Stummfilm The Artist entscheidende Inspirationen verdankt. Der weitgehende Verzicht auf Dialoge ist für den gelernten Zirkusclown Étaix und seinen Koautor Jean-Claude Carrière kein Mangel, sondern eine frohgemute Entscheidung. Sie vertrauen auf die Gesprächigkeit der Pantomime als Instrument, die Welt lesbar zu machen, ihrer Komplexität Eindeutigkeit zu verleihen. Akribisch studieren sie die Gesetze, nach denen Gags funktionieren. Ihr Meisterwerk Yoyo ist zugleich eine wehmütige Hommage an den Zirkus und ein verschmitztes Historienepos, dessen Wendepunkt die Wirtschaftskrise von 1929 ist: Erst der grosse Crash bringt einen Milliardär dazu, sein Leben in Luxus und Langeweile gegen ein Wanderleben als Zirkusclown einzutauschen und mit seiner wieder aufgetauchten Geliebten und seinem Sohn durchs Land zu ziehen. Die Zeitläufte betrachten Étaix/Carrière dabei mit gewissenhafter Nonchalance: Bei ihnen ist es Hitler, der Chaplins Schnurrbart kopiert. (mid)
Reedition mit neuer Kopie
Drehbuch: Pierre Étaix, Jean-Claude Carrière
Kamera: Jean Boffety
Musik: Jean Paillaud
Schnitt: Henri Lanoë
Mit: Pierre Étaix (Yoyo/Millionär), Claudine Auger (Isolina), Philippe Dionnet (Yoyo als Kind), Luce Klein (Reiterin), Martine de Breteuil (Mme de Briac), Roger Trapp (Leroy), Philippe Castelli (Diener), Luc Delhumeau (Zöllner)
96 Min., sw, 35 mm, F/d