Wenn Hollywood in den dreissiger Jahren das spätzaristische Russland des Ersten Weltkrieges herbeifantasiert, so hat das mit filmischem Realismus so viel zu tun wie Greta Garbo mit einer kommunistischen Politkommissarin (Ninotschka) oder Marlene Dietrich mit der historischen Katharina der Grossen (The Scarlet Empress). Entsprechend hanebüchen ist der Plot der zweiten von drei Co-Regiearbeiten bei Paramount, mit denen Cukors Karriere als Filmregisseur kurz nach Anbruch der Tonfilmzeit beginnt: Kay Francis, bekannt als die hinreissende Trickdiebin in Lubitschs Trouble in Paradise, gibt die Frau eines russischen Wissenschaftlers, der zur Armee einberufen und alsbald wegen Insubordination zum Tode verurteilt wird. Walter Huston, Vater des Regisseurs John Huston und hier innert Jahresfrist schon zum zweiten Mal mit Kay Francis gepaart, ist der beinharte russische General, der den Verurteilten begnadigen könnte. Francis alias Marya Ivanova schmeisst sich kompromisslos an den Militär ran, um ihren Pflock von Gatten zu retten – und verliebt sich versehentlich in den kalkuliert Umgarnten. Von den melodramatischen Steilkurven über die Palastkulissen bis zu den Boudoir-Möbeln ist alles Pappe in diesem Film, doch die Emotionen sind echt, und nur darauf kommt es an. Die erste (und kuriosere) von zwei Locarneser Entdeckungen in Cukors Frühwerk. (afu)
Drehbuch: Martin Brown, Louise Long, nach dem Theaterstück «The General» von Lajos Zilahy
Kamera: David Abel
Schnitt: Otho Lovering
Mit: Walter Huston (Gen. Gregori Platoff), Kay Francis (Marya Ivanova Sablin), Kenneth MacKenna (Lt. Victor Sablin), Jobyna Howland (Alexandra Stroganov), Paul Cavanagh (Capt. Orloff), Eric Kalkhurst (Lt. Glinka), Oscar Apfel (Maj. Ivanoff), Godron McLeod (Col. Nikitin), Youcca Troubetzkov (Capt. Sobakin)
80 Min., sw, 35 mm, E