Ein GI erlebt durch den Strassenjungen Pasquale das Elend im zerstörten Neapel; in der Po-Ebene kämpfen Amerikaner und Partisanen gegen die letzten Überreste der deutschen Armee. In sechs Episoden schildert Paisà die Schlussphase des Zweiten Weltkriegs. Dem französischen Filmkritiker André Bazin diente der Film als Pars pro Toto um den damals aufkommenden italienischen Neorealismus, dessen Einfluss bis in die Gegenwart reicht, zu charakterisieren:
«Rossellinis Technik bewahrt sicher eine gewisse Verständlichkeit in der Abfolge der Tatsachen, doch diese greifen nicht ineinander wie eine Kette auf einem Zahnrad. Der Verstand muss von einer Tatsache zur anderen springen, wie man von Stein zu Stein hüpft, um einen Bach zu überqueren. Bisweilen zögert der Fuss, welchen Stein er nehmen soll, oder er rutscht aus. So ergeht es auch unserem Verstand. (...) Tatsachen sind Tatsachen, unsere Vorstellungskraft benutzt sie, doch sie haben nicht a priori die Funktion, ihr zu dienen. Bei der üblichen filmischen Auflösung (...) macht sich die Kamera über die Tatsache her, zerstückelt, analysiert sie und setzt sie wieder zusammen; zwar verliert die Tatsache ihre eigentliche Substanz nicht völlig, doch sie wird in eine Abstraktion gehüllt, wie der Lehm des Ziegelsteins in die noch fehlende Mauer, die seine Quaderform vervielfachen wird. Auch bei Rossellini nehmen die Tatsachen einen Sinn an, doch nicht wie ein Werkzeug, dessen Funktion seine Form im Voraus bestimmt. (...) Die erzählerische Einheit in Paisà ist nicht die ‹Einstellung›, ein abstrakter Blickwinkel auf die zu analysierende Wirklichkeit, sondern die ‹Tatsache›». (André Bazin, Was ist Film?, 1958-62; dt. 2004)
«Paisà ist in seiner Ausdruckskraft ein Meilenstein des Kinos. Es ist sinnlos ihn zu beschreiben, da er hinsichtlich seiner Form, seiner dramatischen Konstruktion und seiner Botschaft kein gewöhnlicher Film ist. In gewisser Weise ist er die Antithese zum klassischen Erzählkino.» (Bosley Crowther, The New York Times, 30.3.1948)
Gesamtdauer: 135 Min.
Drehbuch: Sergio Amidei, Federico Fellini, Roberto Rossellini, Klaus Mann (Beteiligung am Sujet)
Kamera: Otello Martelli
Musik: Renzo Rossellini
Schnitt: Eraldo Da Roma
Mit: 1. Episode: Carmela Sazio (Carmela), Robert Van Loon (Robert), 2. Episode: Alfonsino Pasca (Pasquale), Dots M. Johnson (Joe, Militärpolizist), 3. Episode: Maria Michi (Francesca), Gar Moore (Fred), 4. Episode: Harriet White (Harriet), Renzo Avanzo (Massimo), 5. Episode: Bill Tubbs (Bill Martin), 6. Episode: Dale Edmonds (Dale), Cigolani (Partisan)
125 Min., sw, DCP, I/d, J/14