Eigentlich sollte David Lean «Madame Bovary» verfilmen, aber stattdessen liess er Robert Bolt eine neue, wesensverwandte Dreiecksgeschichte schreiben und sie im Irland zur Zeit der Rebellion von 1916 ansiedeln. In einem Küstendorf heiratet Rosy Ryan den älteren, verwitweten Schullehrer Shaughnessy (Mitchum), weil er Sinn für Musik und Poesie hat. Doch die Ehe entpuppt sich als leidenschaftslos. Im kriegsversehrten britischen Offizier Doryan findet Rosy einen Geliebten, aber damit stellt sie sich gegen die Kirche, ihren Vater und den irischen Nationalismus ihrer Mitbürger.
«Ryan’s Daughter ist für mich der schönste Film von David Lean. (...) Liebe und Leidenschaft, Ehe und Sexualität schliessen sich unter dem Gesetz des Vaters aus, gehen zumindest ein problematisches, meist defizitäres Verhältnis ein. Robert Mitchum in seiner Rolle als Ehemann: Ein amerikanischer Star, wie er noch nie zu sehen war – als hilflos verklemmter, ungewollt grober Liebhaber. Fast ein Sakrileg. (...) Nicht nur mit Major Doryan, auch mit der Passivität Robert Mitchums als Charles Shaughnessy findet eine Entwicklung der männlichen Helden in Leans Epen eine Art Höhepunkt. Ryan’s Daughter gibt einer fast unverhohlenen Sehnsucht nach einem anti-epischen Helden nach, der dennoch mit den Mitteln des Epos – und nicht, als eine Form der Kritik, mit den modernistischen Mitteln der Nouvelle Vague – präsentiert wird. Darauf beansprucht der Film ein Recht: grossartigen Aufwand für die Repräsentation ‹schwacher›, masochistischer Helden: das kann man fast schon emanzipatorisch nennen.» (Annette Brauerhof, in: Film-Konzepte 10, David Lean, edition text+kritik, 2008)
Drehbuch: Robert Bolt
Kamera: Freddie Young
Musik: Maurice Jarre
Schnitt: Norman Savage
Mit: Robert Mitchum (Charles Shaughnessy), Sarah Miles (Rosy Ryan), Trevor Howard (Pater Collins), Christopher Jones (Randolph Doryan), John Mills (Michael), Leo McKern (Thomas Ryan), Barry Foster (Tim O'Leary), Arthur O'Sullivan (Mr. McCardle), Marie Kean (Mrs. McCardle), Evin Crowley (Maureen), Douglas Sheldon (der Fahrer), Niall Toibin (O'Keefe)
195 Min., Farbe, DCP, E/f, J/14