Jahrelang verzögerte sich der Prozess gegen Klaus Barbie; es war unklar, ob der Gestapo-Chef von Lyon überhaupt verurteilt werden würde. Möglicherweise waren seine Untaten nach vierzig Jahren verjährt – so lautete jedenfalls das Argument seines Verteidigers.
In dieser Situation machte sich Marcel Ophüls, einer der bedeutendsten Chronisten und Aufklärer der Gegenwart, auf die Reise. Was erst als Artikelserie geplant war, wurde zu 120 Stunden Interviewmaterial, die Ophüls zu einem gut vierstündigen Film montierte. Hôtel Terminus wurde mit dem Friedensfilmpreis und einem Oscar ausgezeichnet.
«Mit keinem anderen Film hat die Figur des brillanten Interviewers und Rechercheurs Ophüls so deutlich Gestalt angenommen und ist zur Ikone des dokumentarischen Kinos geworden wie mit diesem (lange vor Michael Moore und Nick Broomfield). Der Ruhm des Oscars für den Film ist ein Grund; ein anderer die Struktur und Form des Werks selbst: Die spannungsreiche Rekonstruktion der Vita von Klaus Barbie, dem ‹Henker von Lyon›, reflektiert virtuos ihren Entstehungsprozess und ist erzählt wie ein Polizeiprotokoll (mit Ophüls als unerbittlichem Detektiv). Auf der Anklagebank: nicht nur einer der letzten deutschen Nazis und Kriegsverbrecher, dem noch der Prozess gemacht werden konnte (und der schliesslich in der Haft gestorben ist), sondern ein ganzes politisches System, das Biografien wie jene Barbies in der kalten Nachkriegszeit möglich gemacht hat. Eine atemberaubende Jagd nach der historischen Wahrheit im Geflecht unzähliger konkurrierender Erzählungen; ein filmischer Prozess der zunehmenden Präzisierung, der die Möglichkeiten des Mediums, zwischen Wahrheit und Täuschung zu unterscheiden, bis ans Äusserste treibt.» (Constantin Wulff, Österreichisches Filmmuseum, 5/2010)
Drehbuch: Marcel Ophuls
Kamera: Michael Davis, Pierre Boffety, Reuben Aaronson
Schnitt: Albert Jurgenson, Anne Weil
267 Min., Farbe + sw, 35 mm, OV/d/f