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Alfred R. – Ein Leben und ein Film

In seinem ersten Langfilm Alfred R. – Ein Leben und ein Film hat Georg Radanowicz (* 21.4.1939) sich mit einem Selbstmord in seinem Bekanntenkreis auseinandergesetzt. Der essayistische Film unterschneidet Rückblenden ins Leben des jungen Machers, Netzwerkers und Workaholics Alfred R., der sich selbst und der Welt abhandenkommt, mit seinen Vorbereitungen zum Suizid. (Spieldatum: Fr, 26.4.,18:15, anschl. Gespräch mit Georg Radanowicz und Fredi Murer)

«Alfred R. glaubte an Leistung, Erfolg, Besitz und Macht des Einzelnen. Diese Vorstellungen eines Lebens, das keine Alternativen kennt, wurden ihm zum Verhängnis. Er hat sich mit 25 Jahren das Leben genommen.» Mit dieser nüchternen Diagnose, gesprochen von Christoph Schwegler, beginnt der Film. Die Tonspur, gestaltet von Jazz-Avantgardist Steve Lacy mit seiner Frau Irene Aebi sowie Anton Bruhin und Steve Potts, erzeugt eine beklemmende Atmosphäre.
«Die ‹gefährlichen› Perspektiven des Problems (Selbstverwirklichung durch Verweigerung) zeigt auch Alfred R. – Ein Leben und ein Film von Georg Radanowicz auf, der gleichzeitig die minuziösen Vorbereitungen eines Selbstmords notiert und – in Rückblenden – die Versuche der Hauptfigur, sich der Welt zu verschreiben, aufzudrängen, anzubieten, beschreibt. Der Filmemacher Xavier Koller spielt in Radanowiczʼ erstem Spielfilm diesen Alfred, der Bilanz zieht und nur eine – vom Filmautor übrigens sehr skeptisch betrachtete – Selbstverwirklichung sieht: den Freitod. Dem Film von Radanowicz kommt – ausser einem ästhetischen: ausserordentliche, ‹konzeptionelle› Fotografie, eine ganz erstaunlich reiche Tonspur – das Verdienst zu, Selbstverwirklichung auch in ihrer lebensfeindlichen und gesellschaftlich suspekten Dimension gezeigt zu haben.» (Martin Schaub in: Vergangenheit und Gegenwart des Schweizer Films. 1896–1987, Schweizerisches Filmzentrum 1987)

Georg Radanowicz (Schweiz 1972)


«(Radanowicz) lässt die witzige Frechheit seiner Kurzfilme hinter sich und wendet sich einem ernsten Thema zu, aufgrund von tatsächlichen Vorfällen, die ihn erschüttert haben: den letzten Augenblicken eines jungen Mannes, der beschlossen hat, die Welt zu verlassen, indem er sich eine Kugel ins Herz schiesst. Wie kam es zu dieser Tat? Radanowicz beantwortet die Frage nicht. Er widmet sich einer phänomenologischen Schilderung dieses Endes einer Existenz, indem er sie unterschneidet mit Tauchgängen im Gedächtnis der Figur, Tauchgängen, die nichts erklären, die aber ein geistiges Klima bestimmen, ebenso sehr wie sie von diesem bestimmt werden: die Unfähigkeit sich anzupassen, ein Malaise, das sich heimtückisch zur Neurose entwickelt und sachte jene Krankheit enthüllt, an der die Gesellschaft noch mehr leidet als Alfred R. – die Entmenschlichung der Räume, in denen er sich bewegen und leben muss, sterilisiert die Beziehungen, die ein Zeitgenosse der ersten Mondlandungen mit andern eingehen möchte. Alfred R. macht diese Erfahrung. Wie der Sauerstoff führt auch die Emotionalität, wenn sie sich verflüchtigt, zum Ersticken. Der letzte Akt von Alfred R. hat keinen anderen Beweggrund: diese Flamme verlischt. Klugerweise verweigert Radanowicz eine psychologische Analyse.» (Freddy Buache: Le cinéma suisse, L'Age dʼhomme 1974)

Drehbuch: Georg Radanowicz, Urs Lüthi, Giovanni Blumer, Heinz Hänni
Kamera: Werner Zuber, Otmar Schmid, Georg Radanowicz
Musik: Steve Lacy, Irène Aebi, Anton Bruhin, Steve Potts
Schnitt: Georg Radanowicz, Heinz Berner

Mit: Xavier Koller (Alfred R.), Christoph Schwegler (Off-Sprecher), Anneliese Betschart (Off-Sprecherin)

84 Min., sw, Digital HD, D

Spieldaten


Vergangene Vorstellungen:
Fr.,
26.4.2019
18:15
anschl. Gespräch mit Georg Radanowicz und Fredi Murer, Moderation: Marcy Goldberg