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«Ozu, oft missverständlich als der ‹japanischste› aller Regisseure bezeichnet, hat aus seiner Bewunderung für Hollywood nie ein Hehl gemacht, besonders in seinen frühen Werken. Seine augenfälligste Hommage an das Amerika der Gangster ist – wie die kosmopolitische Hafenstadt Yokohama, in der sie spielt – ein faszinierendes Beispiel der Begegnung von Ost und West. (...) Tokikos ehrbarer Tagesjob in einer Schreibstube subventioniert den Lebensstil des zweitklassigen Gangsters und ehemaligen Boxmeisters Jyoji, dessen Gangsterbraut sie spielt. Gemeinsam herrschen sie über eine verrauchte Halbwelt von Cocktailbars und verschwitzten Boxhallen im amerikanischen Stil, frei von fast jedem japanischen Element ausser den Gesichtern der Schauspieler, bis Jyoji die traditionellere jüngere Schwester eines seiner neuen Komplizen ins Auge fasst.» (Jasper Sharp, BFI, Jan. 2017)
Dragnet Girl – der japanische Originaltitel bedeutet wörtlich übersetzt: Eine Frau in der Gefahrenzone – zeigt, wie bei Ozu die Verarbeitung dieses Einflusses – etwa der Gangsterfilme Josef von Sternbergs – und das Entwickeln eines eigenen Stils Hand in Hand gingen.
«Tagsüber arbeitet Tokiko als Schreibkraft in einem Büro, doch sie lebt mit Jyoji zusammen, dem Boss einer unbedeutenden Verbrecherbande. Der Student Hiroshi schliesst sich der Bande an und Jyoji fühlt sich von Hiroshis Schwester Kazuko angezogen (...) Das ist tatsächlich einer von Ozus ansprechendsten Filmen, vor allem aufgrund seiner Verwendung von Gangsterfilm-Konventionen.» (David Bordwell: Ozu and the Poetics of Cinema, Princeton University Press 1988)
Die Hauptdarstellerin Kinuyo Tanaka wurde dank ihrer wiederholten Zusammenarbeit mit Ozu und Kenji Mizoguchi zu einem der grössten japanischen Stars und führte selbst bei sechs Filmen Regie. Das Locarno Festival 2020 widmet seine Retrospektive Kinuyo Tanaka, und mehrere ihrer Filme werden im Oktober/November-Programm auch im Filmpodium zu sehen sein.
«The director all too often misleadingly referred to as the most ‹Japanese› of filmmakers never kept his love of Hollywood a secret, especially in his early works made at Shochiku’s Kamata studios. His most obvious homage to gangland Americana is, like the cosmopolitan port city of Yokohama where it is set, a fascinating example of east meets west. (...) Tokiko's respectable daytime employment in an office typing pool subsidises the lifestyle of the low-rent lawbreaker and former boxing champ Jyoji, to whom she plays moll. Together they reign over a smoky demimonde of American-styled cocktail bars and sweaty boxing gyms, expunged of almost every Japanese element save for its actors’ faces, before Jyoji’s eye begins to rove to the more traditional younger sister of one of his new hoods.» (Jasper Sharp, BFI, Jan. 2017)
«By day Tokiko works as a typist, but she lives with Jyoji, the leader of a small-time gang. Hiroshi, a student, joins the gang, and Jyoji becomes attracted to Hiroshi's sister Kazuko. (...) It is indeed one of Ozu's most appealing films, chiefly because of its use of gangster-film conventions.» (David Bordwell: Ozu and the Poetics of Cinema, Princeton 1988)
Drehbuch: Tadao Ikeda, nach einer Story von Yasujiro Ozu
Kamera: Hideo Shigehara
Schnitt: Kazuo Ishikawa, Minoru Kuribayashi
Mit: Kinuyo Tanaka (Tokiko), Joji Oka (Jyoji), Sumiko Mizukubo (Kazuko), Koji Mitsui (Hiroshi), Yumeko Aizome (Misako), Yoshio Takayama (Senko), Koji Kaga (Misawa), Yasuo Nanjo (Okazaki, Sohn des Chefs), Chishu Ryo (ein Polizist)
100 Min., sw, 35 mm, Stummfilm, jap +e Zw'titel