Einem verbreiteten Klischee zufolge haben Louis und Auguste Lumière zwar das Kino erfunden, indem sie den Cinématographe entwickelten, der nicht nur die Aufnahme, sondern auch die Projektion von Filmen erlaubte, aber als Filmemacher waren sie uninteressant; sie bildeten bloss in knapp einminütigen Schnipseln die Realität ab, während Georges Méliès und andere Künstler das neue Medium nutzten, um andere Welten zu erschaffen. Ein genaueres Studium des Werks der Lumières enthüllt aber, dass sie nicht nur mit Fiktion experimentierten – L'arroseur arrosé gilt als erste Filmkomödie überhaupt –, sondern auch ihre fast 1500 scheinbar nüchternen kleinen Dokumentarfilme, die sie in ganz Europa drehten und drehen liessen, inszenierten und durchgestalteten.
Thierry Frémaux, Leiter des Institut Lumière in Lyon, und die Cinémathèque française haben unlängst die erhaltenen, aber selten gezeigten Filme der Lumières restaurieren lassen. Frémaux hat daraufhin eine schöne Kompilation mit dem mehrdeutigen Titel Lumière! geschaffen, die nicht nur visuelle Höhepunkte versammelt, sondern einen neuen Blick auf diese unterschätzten Miniaturen ermöglicht. Informationen zum Hintergrund der Filme sowie Bezüge zwischen einzelnen Filmen bereichern das ohnehin einzigartige Seherlebnis, denn so schön erstrahlten die Filme wohl nicht einmal bei ihrer Uraufführung.
Aus Anlass des 125. Jubiläums der Patentierung des Cinématographe am 13. Februar 1895 zeigt das Filmpodium noch einmal Lumière!. (mb)
Musik: Camille Saint-Saëns
Schnitt: Thomas Valette, Thierry Frémaux
Mit: Thierry Frémaux (Erzähler), Auguste Lumière (er selbst; Archivbildmaterial), Louis Lumière (er selbst; Archivbildmaterial), Martin Scorsese (er selbst)
90 Min., Farbe + sw, DCP, F/d