English review
Orgon lässt sich vom scheinbar heiligmässigen Tartüff zu lebensfeindlicher Frömmelei bekehren. Seine Gattin Elmire durchschaut Tartüff und beschliesst, den Heuchler zu entlarven.
«Murnaus Stummfilm, dem die – ins Preussen Friedrichs II. verlegte – Molière’sche Gesellschafts- und Sittenkomödie von dem Heuchler und Schmarotzer Tartüff zugrunde liegt, die durch eine Rahmenhandlung ergänzt wurde und als Film im Film erscheint; sie unterstreicht die Botschaft, dass Heuchler überall sind, und ist stilistisch deutlich vom ‹Film› abgesetzt. Ausgezeichnet: Emil Jannings als Tartüff.» (Lexikon des int. Films)
«Murnau beschwört klassisches, französisches, höfisches Theater als Klischee, als generalisierte Vorstellung. Dem stellt er das ambulante Filmgewerbe gegenüber. (...) Von dem, was ein Theaterstück ausmacht, ist, in Stummfilm transponiert, wenig übrig. Dass Murnau des Stoffes wegen in den Theaterfundus gegriffen hätte, dagegen spricht, wie er ihn behandelt. (...) Das Sein und Scheinen in Murnaus Film ist nicht die Handlung auf der Bühne. ‹Wir brauchen kein Kino›, lautet ein Zwischentitel im Vorspiel, und dann bekommen diese Kinogegner eine Parodie auf die moralische Anstalt, verfilmtes Theater vorgeführt. Wir müssen, sagt Murnau einem Interviewer, um Kino zu machen, alles vergessen, was wir am Theater gelernt haben, was in unseren Ausdrucksmitteln ans Theater erinnert.» (Frieda Grafe)
«Olanchon entdeckte die homoerotische Beziehung zwischen den zwei Männern, und er hatte recht, man kann es wieder bei Murnau sehen; Mnouchkine spielte mit der Analogie zum islamischen Fundamentalismus: stimmt auch.» (Luc Bondy, in: Friedrich Wilhelm Murnau, Bertz Verlag 2003)
Drehbuch: Carl Mayer, nach Molière
Kamera: Karl Freund
Mit: Emil Jannings (Herr Tartüff), Werner Krauss (Orgon), Lil Dagover (Elmire, seine Frau), Lucie Höflich (Dorine), Hermann Picha (der alte Rat), Rosa Valetti (die Haushälterin)
65 Min., tinted, DCP, stumm, e Zw'titel/d