Im Tbilissi der 1930er-Jahre verlässt eine junge Frau, deren Vater als «Volksfeind» hingerichtet und deren Mutter nach Sibirien deportiert wurde, das Waisenhaus und kehrt in ihre vermeintlich leere Wohnung zurück, die jedoch von einem Mitglied der stalinistischen Geheimpolizei in Besitz genommen wurde.
«Ich wollte diesen Film schon immer machen. Vielleicht habe ich nur deshalb das Institut für Kinematografie besucht, um einen Weg zu finden, das auszudrücken, was ich zusammen mit meiner Nation erlitten habe. Die Verhaftung meiner Eltern, das Alleinsein, die überwältigende Angst, die auf der Gesellschaft lastete, der innere Kampf gegen die unsichtbaren Mächte, die alles unterdrückten, in alle Sphären der eigenen Existenz eindrangen und einen psychisch wie körperlich erledigten. Damals verstand ich nicht, dass es der Totalitarismus war, gesehen mit den Augen eines Kindes, die organisierte Gewalt gegen Personen: Der Protest dagegen wurde das Ziel meines Lebens.» (Lana Gogoberidse, zit. nach: Katalogblätter Int. Forum des Jungen Films, Berlin 1993)
Lana Gogoberidse
Lana Gogoberidse wurde 1928 als Tochter überzeugter Kommunisten in Tbilissi geboren, doch die Eltern gerieten Ende der 30er-Jahre in die stalinistische «Säuberungs»-Welle: Ihr Vater, Levan Gogoberidse, wurde 1937 hingerichtet und ihre Mutter, die Regisseurin Nutsa (Nino) Gogoberidse, für 10 Jahre nach Sibirien verbannt.
Nach einem Literaturstudium erhielt sie ihre Filmausbildung am WGIK in Moskau; ihr Regiestudium schloss sie 1958 ab. 1962 drehte sie ihren ersten Langspielfilm. Trotz Problemen mit der sowjetischen Zensur schaffte sie es, ihre Filme international zu präsentieren. Neben der eigenen Regiearbeit widmete sie sich ab 1974 der Ausbildung des Filmnachwuchses in Tbilissi. 1988 gehörte sie zu den Gründerinnen des Verbands «Kino Women International» und wurde dessen erste Präsidentin. Nach der Unabhängigkeit Georgiens engagierte sie sich in der Politik. Von 1992 bis 1995 sass sie im georgischen Parlament und ging 2004 als Botschafterin nach Paris.
Filme (Auswahl): Als die Mandelbäume blühten (Rotsa akvavda nush, 1972), Einige Interviews zu persönlichen Fragen (Ramdenime interwju pirad sakitchebse, 1978), Der Tag ist länger als die Nacht (Dges game utenebia, 1983), Walzer auf der Petschora (Walsi petschorase, 1992), Hin und her (Oromtriali, 1987) und The Golden Thread (Okros dzapi, 2019).
Vorstellung vom Samstag, 9.10.2021:
Einführung in das georgische Filmschaffen durch Lasha Bakradze
Lasha Bakradze wurde 1965 in Tiflis, Georgien, geboren, wo er Germanistik und Linguistik studierte. Danach setzte er seine wissenschaftliche Tätigkeit in Jena (Germanistik), Bern (Theologie), Potsdam (Politikwissenschaft) und Berlin (Neuere und Neueste Geschichte) fort und promovierte 2002 an der Staatlichen Universität Tiflis. Neben seiner akademischen Lehrtätigkeit war er auch kultureller und wissenschaftlicher Programmreferent am Goethe-Institut in Tiflis, Kommentator für Fragen der internationalen Beziehungen beim Fernsehsender Rustavi 2 und Leiter der Abteilung für Filmkonservierung und -archivierung des Georgischen Nationalen Filmzentrums. Seit 2009 ist er Professor an der Ilia State University of Tbilisi und seit 2010 Direktor des Giorgi Leonidze State Museum of Literature. (Lasha Bakradse vertritt Gaga Chkheidze, Direktor des georgischen Nationalen Filmzentrums).
Referat in deutscher Sprache.
Drehbuch: Lana Gogoberidse, Saira Arenischwili
Kamera: Giorgi Beridse
Musik: Giorgi Zinzadse
Mit: Guram Pirtskhalava, Nino Surguladse, Marika Chichinadse, Tamar Skhirtladse, Nineli Chankvetadse, Dodo Chichinadse, Irina Kupchenko, Valentina Telichkina
106 Min., Farbe, 35 mm, Georg/d