Begleitet von Bobby Vintons titelgebender 60er-Jahre-Schnulze senkt sich zu Beginn die Kamera vom strahlend blauen Himmel und zeigt in Zeitlupe eine Kleinstadtidylle aus roten Rosen vor einem weissen Gartenzaun, winkenden Feuerwehrmännern und fröhlichen Schulkindern. Kurz darauf wird die ironische Überspitzung gebrochen, wenn die Kamera durch das Gras eines gepflegten Vorstadtgartens kriecht und krabbelndes Ungeziefer die Leinwand füllt.
Die hier angedeuteten Abgründe hinter der scheinbar heilen Fassade der Kleinstadt Lumberton breiten sich zu einem Strudel der Perversionen aus, als der junge Student Jeffrey Beaumont auf einer Wiese ein abgeschnittenes Ohr findet und dem Fall auf eigene Faust nachgeht.
«Im Märchen siegt immer das Gute, und es ist nicht ohne Aufatmen, dass wir zum Schluss die Rosen (…) und den weissen Zaun wiedererkennen. Mit den gleichen Augen wie am Anfang werden wir sie aber nie wieder wahrnehmen können, dafür hat David Lynch gesorgt.» (Stephen Locke, epd Film, 2/87)
Das abgeschnittene Ohr in der Wiese, in das wir zu Filmbeginn eintauchen – ist vielleicht auch jenes, das in Franjus La faute de l’abbé Mouret einer dem anderen vom Kopf schneidet. Auch den Blick des Hobbydetektivs aus dem Schrank in der Wohnung des Opfers finden wir bereits in Pleins feux sur l’assassin. Der Neo-Surrealist Lynch kennt die Filme seines französischen Vorbilds offenbar ganz genau und traut sich, auch noch jene sexuellen Perversionen explizit zu machen, die bei Franju immer nur verkappt ausgelebt werden konnten. (Johannes Binotto)
Drehbuch: David Lynch
Kamera: Frederick Elmes
Musik: Angelo Badalamenti
Schnitt: Duwayne Dunham
Mit: Kyle MacLachlan (Jeffrey Beaumont), Isabella Rossellini (Dorothy Vallens), Laura Dern (Sandy Williams), Dennis Hopper (Frank Booth), Dean Stockwell (Ben), Hope Lange (Mrs. Williams), George Dickerson (Det. Williams), Priscilla Pointer (Mrs. Beaumont), Frances Bay (Tante Barbara), Jack Harvey (Mr. Beaumont), Ken Stovitz (Mike), Brad Dourif (Raymond)
120 Min., Farbe, 35mm, E/d/f