«In Luis Buñuels vergnüglich-perversem Melodram aus dem Jahr 1955 entdeckt der wohlhabende mexikanische Titelheld Archibaldo de la Cruz – durch die ‹Madeleine-artige›, lange verschollene Spieluhr aus seiner Kindheit – erotische Gewaltfantasien wieder, die seine Jugend geprägt haben und die er nun in die Tat umsetzen will. Archibaldo gelingt das nie ganz, aber er gesteht den Behörden trotzdem, und das aus gutem Grund. Sein hartnäckiges Werben um die fromme Heuchlerin Carlota, seine Tändelei mit dem verheirateten Playgirl Patricia und sein leidenschaftliches Begehren der geistreichen Lavinia sind allesamt durchdrungen von dem abgrundtief Bösen seiner immer wieder aufs Komischste vereitelten Absichten. Vor dem Hintergrund von Revolution und Restauration, katholischen Mysterien und aristokratischen Sitten findet Buñuel Bilder für verdrängte Sehnsüchte, die an Freud’sche Röntgenaufnahmen erinnern. In Archibaldos prächtig erdachten, sorgfältig geplanten und minutiös inszenierten Plänen scheinen die Kunst des Mordens und die Kunst des Films eng miteinander verbunden zu sein.» (Richard Brody, The New Yorker)
Eine Puppe wie die, an der Archibaldo seine Gewaltfantasien auslebt, steht auch am Anfang von Franjus Le sang des bêtes auf dem Feld vor jenem Schlachthaus, in dem man die Tiere zerlegt. Ihr Antlitz aus Porzellan erinnert an Édith Scobs Maske in Les yeux sans visage. Franju hat sich die absurd-abgründigen Bildmotive von Buñuel ausgeliehen und sie so lange weitergedacht, bis aus dessen surrealem Spass sein realer Horror wurde. (Johannes Binotto)
Drehbuch: Luis Buñuel, Eduardo Ugarte Pages, nach dem Roman von Rodolfo Usigli
Kamera: Augustín Jiménez
Musik: Jorge Pérez
Schnitt: Jorge Bustos
Mit: Ernesto Alonso (Archibaldo de la Cruz), Miroslava Stern (Lavinia), Rita Macedo (Patricia Terrazas), Ariadna Welter (Carlota), Rodolfo Landa (Alejandro), Andrés Palma (Carlotas Mutter), Carlos Riquelme (Kommissar), José María Linares Rivas (Willy Cordurán), Leonor Llausás (Gouvernante), Eva Calvo (Archibaldos Mutter), Carlos Martínez Baena (Pfarrer), Roberto Meyer (Doktor)
90 Min., sw, 35 mm, Sp/d