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Paper Moon

Am 6. Januar ist Peter Bogdanovich im Alter von 82 Jahren verstorben. Zur Erinnerung an den Regisseur, Schauspieler und Filmhistoriker zeigt das Filmpodium am Samstag, 12. Februar um 15.00 Uhr sein legendäres, oscargekröntes Gauner-Roadmovie Paper Moon (1973, 102'). Ryan und Tatum O'Neal spielen darin ein (Quasi-)Vater-Tochter-Paar, das während der Great Depression die Leute mit teuren Bibeln übers Ohr haut.

Peter Bogdanovich, 1939 bei New York geboren, war ursprünglich ausgebildeter Schauspieler und, wie viele seiner Kollegen und Zeitgenossen in Frankreichs Nouvelle Vague, zuerst Filmkritiker, bevor er selbst hinter die Kamera wechselte. Als besessener Cinephiler verhalf er legendären Regiegrössen wie John Ford, Allan Dwan und Howard Hawks zu neuem Ruhm; er freundete sich mit Orson Welles an und entwickelte sich in mancher Hinsicht zu seinem wichtigsten Apologeten und filmischen Nachlassverwalter.
An der Seite anderer angehender Exponenten des späteren New Hollywood Cinema wie Martin Scorsese und Francis Ford Coppola durchlief Bogdanovich die Schule der Low-Budget-Produktion bei Roger Corman. Sein Erstling Targets (1968) mit Boris Karloff schlug eine Brücke vom klassischen Hollywood-Gruselfilm zum Horror des amerikanischen Alltags. In The Last Picture Show (1971) schuf er eine schöne Coming-of-Age-Story mit Jeff Bridges und Cybill Shepherd und zugleich einen Abgesang auf die Provinzkinos, die in manchen Provinzen der USA im Sterben lagen. Mit What’s Up, Doc?, einem klamaukigen Hit mit Barbra Streisand und Ryan O'Neal, gelang es Bogdanovich, das Genre der Screwball Comedy für die Neuzeit wiederzubeleben. Kein anderer seiner Filme sollte jedoch so erfolgreich und stilbildend sein wie Paper Moon (1973), der zugleich die Misere der Great Depression ungeschönt darstellte und eine anrührende Vater-Tochter-Geschichte zu erzählen vermochte. Die Filmmusik bestand aus Original-Songs aus der Zeit, und der Soundtrack wurde selbst zum Hit.
Nach Paper Moon erlitt Bogdanovich mehrere Schicksalsschläge. Nicht nur floppten mehrere seiner Filme, sondern seine junge Lebensgefährtin, das Playboy-Model Dorothy Stratten, wurde 1980 von ihrem eifersüchtigen Ex ermordet, was Bogdanovich völlig aus der Bahn warf. Mit The Mask gelang ihm 1985 zwar ein kleines Comeback, aber in den letzten Jahren machte er eher noch als Schauspieler (etwa in The Sopranos) und als Vollender von Orson Welles’ Projekt The Other Side of the Wind (2018) von sich reden. Am 6. Januar 2022 ist Peter Bogdanovich in Los Angeles an den Folgen der Parkinson’schen Krankheit gestorben.

Peter Bogdanovich (USA 1973)

Ryan O’Neal und seine Tochter Tatum brillieren als Betrügerpaar in den USA der 1930er-Jahre.

English review

Der Mittlere Westen der USA zur Zeit der Great Depression. Die kleine, burschikose 9-Jährige Addie Loggins lernt bei der Beerdigung ihrer alleinstehenden Mutter den zwielichtigen Moses Pray kennen, der sie zu Verwandten bringen soll. Auf der Fahrt durch die Einöde von Missouri und Kansas lernen sich Addie und Moses, der mit ihrer Mutter eine Affäre hatte und durchaus ihr Vater sein könnte, allmählich kennen. Moses ist ein Trickbetrüger, der armen, frisch verwitweten Leuten teure Bibeln verhökert, die ihre Verflossenen angeblich vor dem Hinschied bestellt haben. Bald zeigt sich, dass Addie noch besser darin ist, die naiven Farmersleute übers Ohr zu hauen. Das Treiben des Gespanns bleibt jedoch nicht unbemerkt, und mit Deputy Hardin ist ihnen ein hartnäckiger Gesetzeshüter auf den Fersen. Und als Moses das Flittchen Trixie Delight mit an Bord holt, reagiert Addie eifersüchtig. Neben Ryan O’Neal, der in Arthur Hillers Schmalzkiste Love Story (1970) und Peter Bogdanovichs Komödie What’s Up, Doc? zum Star geworden war, ist in Paper Moon seine Tochter Tatum O’Neal in ihrer ersten Rolle zu sehen. Ihre einmalige Gabe, die Niedlichkeit eines kleinen Mädchens mit Kratzbürstigkeit zu legieren, sorgte dafür, dass sie mit zehn Jahren als jüngste Schauspielerin aller Zeiten den Oscar für die beste Nebendarstellerin gewann. Das Plakat des Films hing damals in unzähligen Schlafzimmern; der Soundtrack wurde zum oft gehörten Kassenschlager, und «Paper Moon wirkt letzlich nicht wie eine Hommage an frühere beliebte Regisseure und Stile (wie Bogdanovichs What’s Up, Doc? – und in geringerem Masse auch sein The Last Picture Show). Nein, hier gelingt etwas ganz anderes: ein Historienfilm, der Genre-Konventionen nur dann verwendet, wenn sie passen, so dass wir die Depression mit den Augen von Figuren sehen, die Individuen sein dürfen. Was auch immer Addie und Moses in diesem Film tun, wir haben das Gefühl, dass sie es tun, weil sie es wollen (oder müssen) und nicht, weil der Geist eines Drehbuchautors aus den 1930er-Jahren sie dazu auffordert.» (Roger Ebert, rogerebert.com, 15.6.1973)

Drehbuch: Alvin Sargent, nach dem Roman «Addie Pray» von Joe David Brown
Kamera: László Kovács
Schnitt: Verna Fields

Mit: Ryan O'Neal (Moses Pray), Tatum O'Neal (Addie Loggins), Madeline Kahn (Trixie Delight), John Hillerman (Jess Hardin), P. J. Johnson (Imogene), Jessie Lee Fulton (Miss Ollie), James N. Harrell (Pfarrer), Lila Waters (Frau des Pfarrers)

102 Min., sw, 35 mm, E/d/f

Spieldaten


Vergangene Vorstellungen:
Sa.,
12.2.2022
15:00