Als Ergänzung zur aktuellen Stadthaus-Ausstellung «Blinde Flecken – Zürich und der Kolonialismus» zeigt das Filmpodium am 31. Mai um 18.30 Uhr Milo Raus Film Das Kongo Tribunal (2017), gefolgt von einer Podiumsdiskussion um 20.45 Uhr.
2017 brachte der Schweizer Theater- und Filmemacher Milo Rau Das Kongo Tribunal heraus, eine Filmversion seines gleichnamigen Theaterprojekts. Beispielhaft zeigt er darin auf, wie wirtschaftliche Interessen ausländischer (auch schweizerischer) Unternehmen und politische Missstände in ehemaligen Kolonien zusammenhängen. Auf die Vorführung des Films folgt eine Podiumsdiskussion über diese Verstrickungen.
«Wenn ich mich von all den Theater- und Filmprojekten, die ich gemacht habe, für eines entscheiden müsste, dann wäre es Das Kongo Tribunal. In dem Film sind alle meine Interessen, aber auch alle meine Formate versammelt, die mich in den letzten 15 Jahren umgetrieben haben. Es handelt sich um ein theatrales Tribunal, bei dem aber alles echt ist: Vom Minenarbeiter über den Rebellen und zynischen Minister bis zum Anwalt aus Den Haag spielen sämtliche Teilnehmer nichts anderes als sich selbst. Gleichzeitig entsteht in dem Film etwas, das eigentlich dokumentarisch gar nicht darstellbar ist: ein Porträt der Weltwirtschaft, eine sehr konkrete Analyse all der Gründe und Hintergründe, die dazu führen, dass der Bürgerkrieg im Ostkongo seit über 20 Jahren nicht aufhört. Und wer ein Interesse daran hat, dass das auch so bleibt.» (Milo Rau)
Über Milo Raus Projekt von 2017 und die wirtschaftlichen und politischen Realitäten, die darüber hinausgehen, diskutieren um 20.45 Uhr die Dramaturgin Eva-Maria Bertschy, Oliver Classen (Public Eye) und weitere Gäste. Moderation: Felicitas Fischer (NADEL/ETH).
«Das Kongo Tribunal, knüpft an Milo Raus Theaterformat der ‹Justizspektakel› an, für die er teils mehrtägige Gerichtsprozesse inszeniert. Dabei versucht Rau, die komplexen Verstrickungen von Krisenfeldern auseinanderzudröseln und die wahren Interessen(ten) dahinter offenzulegen. Ausgehend von drei Schauplätzen – zwei Minen und ein Krankenhaus, das von Milizen heimgesucht worden war –, möchte nun Das Kongo Tribunal die Hintergründe für die Konflikte im Gebiet der Grossen Seen ausleuchten, die in den letzten zwanzig Jahren Millionen Opfer forderten. Rau, der oft multimedial arbeitet, verknüpft dafür Theaterinszenierung und dokumentarische Filmausschnitte und konfrontiert uns mit einem dicht gespannten Netz aus Zeugenaussagen und Statements. So kommen enteignete Kleinbauern zu Wort, Frauen, deren Kinder durch den schwelenden Krieg ihr Leben verloren haben, ebenso wie Funktionäre des Staates oder der Abbaufirmen. Ein Pastor stellt zu Recht die Frage, wie es kommt, dass ein so reiches Land wie der Kongo, das drei Ernten im Jahr einbringt und riesige Bodenschätze besitzt, in Armut, Arbeitslosigkeit und einem Bürgerkrieg versinkt. Für das fiktionale Gericht versammelte Rau einerseits in Bukavu, andererseits in Berlin Expert:innen der Justiz, Soziologie oder Menschenrechte auf der Bühne. Formal wechselt Das Kongo Tribunal zwischen Inszenierung und Videos auf Kleinmonitoren, die dem Gremium als ‹Beweismittel› dienen und die sich dann zum bildfüllenden Dokumentarfilm erweitern – den wohl einnehmendsten Teilen des Projekts.» (Doris Senn, CINEMA '83)
Drehbuch: Milo Rau
Kamera: Thomas Schneider
Musik: Marcel Vaid
Schnitt: Katja Dringenberg
100 Min., Farbe, DCP, OV/d/f