Im vergangenen Dezember erschien zum achten Mal die mit Spannung erwartete «Sight&Sound»-Liste mit den besten Filmen aller Zeiten. Diesmal auf Platz 1 direkt dahinkatapultiert von Platz 36: Jeanne Dielman, 23, quai du Commerce, 1080 Bruxelles (1975) von Chantal Akerman. Seit die britische Filmzeitschrift die Umfrage 1952 ins Leben gerufen hat, ist es das erste Mal, dass eine Filmemacherin diesen Platz für sich beanspruchen kann. Alfred Hitchcocks Vertigo, der Gewinner von 2012, wurde auf Platz zwei verdrängt, Orson Welles’ Citizen Kane, der die ersten 50 Jahren die Nummer 1 war, landete auf dem dritten. Der Grund: Die Jury, bestehend aus Filmschaffenden und Filmvermittelnden, war 2022 grösser und diverser geworden. Das Ergebnis: ein Skandal.
Nun mischt auch das Filmpodium mit und fragt Sie nach Ihren 20 Lieblingsfilmen aus den 100 Spitzenplätzen.
Hier geht es zur Abstimmung!
Im November/Dezember zeigen wir die von Ihnen erkorenen Titel, diskutieren den neuen Filmpodium-Kanon und fragen nach dem Sinn und Unsinn solcher Listen. Als Auftakt zeigen wir zwei grosse Klassiker, Sans toit ni loi und Rio Bravo, die «nur» auf Platz 101 (ex aequo mit Forough Farrokhzads The House Is Black, der im Mai/Juni bei uns lief) gelandet sind.
«Howard Hawksʼ bester Western und vielleicht auch sein bester Film – aber wer will schon auf diesem Niveau kritteln? John Wayne, Dean Martin, Ricky Nelson und Walter Brennan verschanzen sich in einem Sheriff-Büro, um einen Gefangenen vor einer Bande bezahlter Killer zu schützen. Doch die subtil stilisierte Kulisse wird bald zur Arena für einen moralischen Kampf, bei dem die Figuren ihre Ressourcen an Vertrauen, Geschick und Mut entdecken und auf die Probe stellen – Werte, die gegen das heraufziehende Chaos wappnen. Das ist amerikanisches Filmschaffen vom Feinsten – sauber, klar und direkt –, und es ist auch das optimistischste je auf Film gebannte Meisterwerk, das sich tapfer gegen den menschlichen Untergang stemmt. Überragend in jeder Hinsicht, von Waynes schauspielerischer Leistung bis zu Russell Harlans brillanten Nachtaufnahmen.» (Dave Kehr, chicagoreader.com, 26.10.1985)
«Die Art und Weise, wie Hawks die Reaktion auf Krisen misst, ist Stil, und so ist es auch treffend, dass zwei Mitglieder seines Trios von prinzipientreuen Gesetzeshütern – Dean Martin und Ricky Nelson – charmante Sänger sind. Ihre Schiesskunst und ihre Schliche hängen mit ihrer lässigen Eleganz zusammen, die auf John Wayne abfärbt, und er leiht ihnen seinerseits die Stabilität seiner eigenen unbeschreiblichen Autorität.» (Richard Brody, newyorker.com, 12.9.2012)
Drehbuch: Jules Furthman, Leigh Brackett, nach einer Erzählung von Barbara Hawks McCampbell
Kamera: Russell Harlan
Musik: Dimitri Tiomkin
Schnitt: Folmar Blangsted
Mit: John Wayne (John T. Chance), Dean Martin (Dude), Walter Brennan (Stumpy), Angie Dickinson (Feathers), Ricky Nelson (Colorado Ryan), Ward Bond (Pat Wheeler), John Russell (Nathan Burdette), Claude Akins (Joe Burdette), Pedro Gonzalez-Gonzalez (Carlos Remonte), Estelita Rodriguez (Consuela)
141 Min., Farbe, DCP, E/d