Neues Kino – exklusiv im Filmpodium
«Steve McQueens monumentaler Film ist eine umfassende Bestandsaufnahme und Meditation über die Kriegsgeschichte und die Psychogeografie seiner Wahlheimatstadt Amsterdam und basiert auf dem niederländischsprachigen Buch seiner Frau Bianca Stigter, ‹Atlas of an Occupied City, Amsterdam 1940–1945›.
Mit der ruhigen und unaufdringlichen Erzählstimme von Melanie Hyams zeichnet der Film das tägliche Leben in Amsterdam unter der Naziherrschaft nach. Er spannt den Bogen von der Invasion 1940 über die Gründung der NSB, der kollaborierenden niederländischen Nazipartei, die zunehmend brutale Unterdrückung und die Deportation der jüdischen Bevölkerung in die Vernichtungslager bis hin zum ‹Hungerwinter› von 1944 bis 1945. (…) McQueen bringt die Karten und Figurenlegenden des Buches wirkungsvoll auf die Leinwand: Die Kamera zeigt uns die zeitgenössischen Innen- und Aussenansichten von einzelnen Strassen, Kanälen, Plätzen, Gebäuden und Stegen, wo sich die Barbarei abspielte – aber sie zeigt sie so, wie sie heute sind, mit Menschen des 21. Jahrhunderts, die ihren Geschäften nachgehen, während Hyams’ Erzählung kühl zusammenfasst, was an jedem einzelnen Ort geschah, und manchmal hinzufügt, dass das ursprüngliche Gebäude ‹abgerissen› wurde. Ein Gefängnishof, in dem Juden gezwungen wurden, ‹Ich bin ein Jude, schlagt mich tot, es ist meine eigene Schuld› skandierend auf und ab zu gehen, ist heute ein offener Platz, der vom Hard Rock Cafe dominiert wird.
Occupied City dauert etwas mehr als vier Stunden – mit einer Pause – und wirkt wie ein riesiger filmischer Fries oder Wandteppich oder vielleicht wie eine Installation. Aber er ist auch wie ein altmodischer ‹Stadtsymphonie›-Film, und in seiner Herangehensweise zeigt er vielleicht den Einfluss von Claude Lanzmanns Shoah. Es werden schwierige Fragen gestellt zu dem, was wir über die Kluft zwischen Vergangenheit und Gegenwart denken. (…) Durch das Ausmass und die Ernsthaftigkeit wird die emotionale Bedeutung von Occupied City über die Filmdauer hinweg grösser und grösser. Der Effekt ist geheimnisvoll und bewegend.» (Peter Bradshaw, The Guardian, 17.5.2023)
Kamera: Lennert Hillege
Musik: Oliver Coates
Schnitt: Xander Nijsten
Mit: Melanie Hyams (Stimme)
262 Min., Farbe, DCP, E/e