Screwball Comedy: Wohldosierter Wahnsinn
Selten haben sich Männer und Frauen geistreicher bekriegt als in den amerikanischen Screwball Comedies der dreissiger und vierziger Jahre. Exzentrische Figuren, abwegige Plots und Dialogsperrfeuer kennzeichnen diese Beziehungskomödien, die die rigide Moral ihrer Zeit mit Wortwitz unterminierten und eine heitere Gegenwelt zur Great Depression bildeten. Wir huldigen dem anhaltenden Charme dieses Genres mit einer Reihe von Klassikern und Wiederentdeckungen aus der Blütezeit.
Es heisst, dass das Wort «screwball» aus dem Baseball in den amerikanischen Slang der dreissiger Jahre eingewandert sei. Im Sportjargon bezeichnet es einen Ball, dessen Drall die Flugbahn schwer einschätzbar macht; in der Alltagssprache wurde daraus eine überdrehte und entsprechend unberechenbare Person. Screwball Comedies handeln von Exzentrikern, die sich mehr oder weniger bewusst um die gesellschaftliche Norm foutieren und beim Zusammenprall mit ihren Mitmenschen seltsame Kettenreaktionen auslösen. Das Abwegige, Unwahrscheinliche ist das Terrain der Screwball Comedy, doch kraft ihrer Schrulligkeit lassen sich die Helden vom Widersinnigen keineswegs irritieren. Unbeirrt stellen sie dem unpassendsten aller denkbaren Liebespartner nach, hochmütig halten sie an verstiegenen Idealen fest, standhaft wahren sie die Fasson, während sie längst den Boden unter den Füssen verloren haben. Erweist sich eine tot geglaubte Gattin als quicklebendig, so wird diese Tatsache gegen jede Evidenz geleugnet; ist ein vermeintlicher Liebesverrat längst widerlegt, so wird halsstarrig am Scheidungsverfahren festgehalten – oder vice versa, wie es Carole Lombard in My Man Godfrey vorführt: «Das ist der Mann, den ich heiraten werde, er weiss es bloss noch nicht.»
Die Beispiele zeigen: Ihre Hauptleistung in Sachen Realitätsverweigerung erbringen die Screwball-Helden auf dem Schlachtfeld der Liebe. Und natürlich machen sie sich dabei heillos lächerlich; früher oder später müssen sie ihre Position unter massivem Gesichtsverlust korrigieren. So beschreiben Screwball Comedies letztlich immer Prozesse der Menschwerdung in Stadien, die unsere eigene Entwicklung vom Kindlichen übers Kindische zu einer halbwegs gesicherten Reife spiegeln und mit den entsprechenden Identifikationsstufen einhergehen: Wir bewundern die Helden für ihre Standhaftigkeit, belächeln sie für deren Übertreibung und lieben sie für ihre Fähigkeit, zu guter Letzt über ihren Schatten zu springen und das Hochherzige (oder auch nur Hirnverbrannte) zugunsten von Menschlichkeit und Nachsichtigkeit fahren zu lassen. Nur in der puren Screwball-Farce findet diese Läuterung nicht statt: Die Egomanen eines Howard Hawks etwa sind mitunter so unverbesserliche Manipulatoren, dass sie in ihrer Selbsttäuschung gefangen bleiben.
Ein doppeltes Geburtsjahr
Als Initialzündung der Screwball Comedy wird oft das Jahr 1934 angegeben, in dem Frank Capras It Happened One Night, Howard Hawks' erste Tonfilmkomödie Twentieth Century und W. S. Van Dykes Hammett-Verfilmung The Thin Man herauskamen. Doch natürlich wimmelt es in der Hollywood-Goldgräberzeit des frühen Tonfilms von Parallelen und Vorgängern. Bei Warner Brothers etwa etablierten der hitzköpfige James Cagney und die kaltschnäuzige Ruth Chatterton in Verbund mit Akkordregisseuren wie Roy Del Ruth (Blonde Crazy, Lady Killer) und Michael Curtiz (Female, Jimmy the Gent) schon kurz nach 1930 den Stakkatodialog, bei Columbia erprobte Frank Capra mit Hilfe des Dramatikers Robert Riskin in Platinum Blonde (1931) erfolgreich das komödiantische Potenzial des Dialogstücks, und bei Paramount sonderten komödiantische Schlachtrösser wie Mae West und W. C. Fields ab den ersten Tonfilmen boshafte Bonmots über das jeweils andere Geschlecht ab. Ernst Lubitsch erklomm mit der Hochstaplerkomödie Trouble in Paradise und der Dreiecksfarce Design for Living 1932/33 bereits Höhen der geistreichen Raffinesse, die später nur wenige erreichen sollten. Allenthalben wurden erfolgreiche Boulevardstücke fürs Kino ausgeschlachtet und Erfolg versprechende Formeln in hoher Kadenz kopiert.
Dennoch ist das Jahr 1934 bedeutsam für die Etablierung des Screwball-Musters, denn ab jenem Jahr machte Hollywood Ernst mit der Durchsetzung des Production Code. Dieser rigide Katalog der Selbstzensur sollte alles Anzügliche aus den Filmen verbannen, um die kostspieligen Produkte vor den Boykottaufrufen puritanischer Lobbys zu bewahren. Doch wie jede Zensur stachelte der Code den sportlichen Ehrgeiz findiger Drehbuchautoren und Regisseure an. So trug er entscheidend zu jener Hintergründigkeit der Dialoge und ihrer Inszenierung bei, die zum Markenzeichen der Screwball Comedy wurde. Frank Capra etwa setzte sich in It Happened One Night augenzwinkernd über das Tabu hinweg, ein unverheiratetes Paar in ein und demselben Schlafzimmer nächtigen zu lassen, indem er das Zimmer mit einer blossen Wolldecke zweiteilte, und George Stevens variierte diese Pointe in The More the Merrier 1943, indem er zwei Betten in getrennten Zimmern so postierte, dass sie optisch zum Ehebett verschmolzen. Der zeitgenössische Kritikerpapst James Agee formulierte treffend, dass Screwball Comedies von Sex ohne Sex handeln.
Konservativ bis ins Mark
Bei aller Lust an der subtilen Unterwanderung zeitgenössischer moralischer Standards sind allerdings auch die restaurativen Tendenzen der Screwball Comedy unübersehbar. So sind ihre zahllosen Trennungsszenarien fast immer nur Vorwand für die Wiedervereinigung eines Paares und die Beschwörung des häuslichen Glücks. Und die widerspenstigen, anfänglich souveränen Heldinnen werden mit dem Einlaufen in den Hafen der Ehe meist domestiziert – im Falle von Bluebeard’s Eighth Wife gar genüsslich gezüchtigt.
Meilenweit von jedem revolutionären Impuls entfernt ist bei den meisten dieser Komödien auch die Zeichnung der Klassenverhältnisse im Amerika der grossen Wirtschaftskrise, wo Millionen obdachlos waren und hungerten. Arm und Reich prallen zwar in unzähligen Varianten aufeinander, und fast durchs Band werden die oberen Zehntausend als masslos verwöhnt und lebensuntüchtig gezeichnet, die armen Schlucker hingegen als moralisches Korrektiv gefeiert. Doch die Gerechtigkeit, die damit hergestellt wird, ist nur symbolischer Natur und zielt so gut wie nie auf eine politische Konsequenz ab, die über die Koppelung von materieller Bescheidenheit und Integrität hinausginge. Anders als die Tellerwäscherträume, die damals populäre Hollywoodgenres wie das Musical, das Melodram und den Gangsterfilm prägen, predigt die Screwball Comedy den Verzicht. In keinem anderen Genre werden Millionenerbschaften achtloser zugunsten solider bürgerlicher Tugenden weggeworfen.
Überlebt oder überlebt?
Die Blütezeit der Screwball Comedy dauerte keine zehn Jahre; ab den frühen vierziger Jahren ging der komödiantische Output zugunsten neuerer, dunklerer «Leitgenres» wie des Kriegsfilms und des Film noir zurück. Grund für diesen Paradigmenwechsel waren aber nicht nur die Zeitumstände, sondern auch die innere Auszehrung der Genres. Die Erfolgsformeln waren ausgereizt, das Publikum hatte einen Cary Grant, einen William Powell, eine Jean Arthur, Claudette Colbert oder Irene Dunne zu oft in ähnlichen Rollen gesehen. Bewährte Kräfte wie George Cukor und Howard Hawks und Newcomer wie Billy Wilder und Frank Tashlin lieferten zwar bis weit in die fünfziger Jahre Nachzügler und einige glänzende Neuinterpretationen des Genres. Die «Zeit der Unschuld», des kollektiven kreativen Exploits auf diesem Gebiet aber war vorbei.
Andreas Furler