Joan Crawford/Bette Davis
Zwischen Kunst und Karikatur
Ende des ersten Filmjahrhunderts gehörten beide noch zu den zehn beliebtesten Schauspielerinnen der USA. Heute sind die einstigen Mega-Stars jüngeren Generationen kaum noch ein Begriff. Dabei prägten Joan Crawford und Bette Davis als Rollenmodell der modernen Frau das Selbstbewusstsein einer ganzen Generation.
Joan Crawford und Bette Davis gehören zu einer Spezies, die heute ausgestorben ist: den monstres sacrés, deren Ruhm nicht automatisch mit ihrer Jugend und ihrem Aussehen verschwand, sondern im Alter noch einmal ganz eigene Züge annahm – wenn auch vielleicht nicht unbedingt so, wie sie es sich gewünscht hätten. Doch beide waren überlebensgrosse Diven, ihr berufsbedingter Exhibitionismus verlangte Öffentlichkeit, besser eine negative als gar keine. Aber immerhin machte Hollywood damals noch Filme für Frauen über 50 – wie schräge auch immer –, die nicht nur nach gebotoxten Untoten verlangten.
Vom leichten Mädchen zum Mannweib
Vor allem Joan Crawford (1905–1977), die mit ihrer herben Schönheit – muskulösen Schultern, klassischen, gemeisselten Zügen unter markanten Brauen, breitem roten Mund – auf der Leinwand gerne als entschlossene, ambitionierte Kämpferin auftrat, wurde von ihrem späten Ruf als alte Horror-Queen postum auf üble Weise eingeholt. Ein Jahr nach ihrem Tod veröffentlichte ihre Adoptivtochter Christina «Mommie Dearest», eine Abrechnung mit der Mutter, die das monstre sacré des Kinos zum realen Monster im Privatleben umdeutete: Ein alkoholisches Wrack, zerfressen von Eitelkeit und Ehrgeiz, habe sie ihre fünf Kinder nur aus Imagegründen adoptiert.
Die Verfilmung von «Mommie Dearest» mit einer überkandidelten Faye Dunaway als Rabenmutter warf einen langen Schatten auf Crawfords grosse Karriere. Der Film und sein wohlfeiles Objekt der Verachtung sind mittlerweile Kult – paradoxerweise auch in ihrer Fangemeinde aus der Camp- und Trash-Szene. Besonders die Gay Community verehrt Crawford als Stilikone und Trendsetterin, eine schillernde Gestalt zwischen Überfrau und Mannweib. Doch ihr Stellenwert gründet nicht auf diesem beschränkten Verdienst.
Dass sie ausgerechnet in jenem Film das Opfer spielen durfte, der sie 1962 mit ihrer angeblichen Nemesis Bette Davis zusammenbrachte, ist eine List der Ironie. What Ever Happened to Baby Jane?, Robert Aldrichs feixende Karikatur von der ewigen Stutenbissigkeit weiblicher Konkurrenz, war mit Crawford/Davis raffiniert besetzt: Zwei abgetakelte Schauspielerinnen spielen den brutalen Schwesternkampf zweier abgetakelter Schauspielerinnen. Dass aber Baby Jane zu mehr als einer Camp-Fussnote der filmgeschichtlichen Zickenlegenden wurde, geht nicht allein auf das Konto des strategischen Castings. Die beiden zertrümmerten zwar mit Gusto – oder auch nur mit dem Mut der Verzweifelten – jeden Rest von Glamour-Image. Doch transzendierten sie mit den Leistungen, die ihnen als Schauspielerinnen, nicht als blossgestellte Celebrities abverlangt wurden, das ganze Grand-Guignol des schrillen Psycho-Horrors mindestens teilweise.
Joan Crawford füllte dabei den leiseren Part mit jener Stärke, die sie in ihren Paraderollen der dreissiger und vierziger Jahre zeigte (nachdem sie die lebenslustigen und bereits sehr selbstbewussten Revue-Girls abgelegt hatte): Arbeiterinnen und Verkäuferinnen, die sich in Krisen und Krisenzeiten zu bewähren hatten; «leichte Mädchen», sogar Prostituierte, in Hollywood später ein No-Go; Frauen, die verzweifelt oder mit Ehrgeiz den sozialen Aufstieg schafften; Frauen, die sich mehr an männlicher Skrupellosigkeit als an weiblicher Zurückhaltung orientierten; Unternehmerinnen mit eisernem Willen, wie Vienna im Western Johnny Guitar. Oder wie in Mildred Pierce (1945), Crawfords Oscar-gekrönter Titelrolle in einer harten, unsentimentalen Tellerwäscher-Story nach einem Roman des Noir-Autors James M. Cain.
Die Newcomerin Ann Blyth in der Rolle von Mildred Pierces Tochter war übrigens des Lobes voll über die Zusammenarbeit mit Crawford, die sie in allen Bereichen liebevoll unterstützt habe. Schade für die Klatschindustrie, das Gegenteil hätte schön gepasst zu all den Schauergeschichten weiblicher Rivalitäten, die Hollywood auf und hinter der Leinwand gerne lieferte. George Cukor, der grosse Frauen-Regisseur, hat diese Obsession in The Women satirisch ad absurdum geführt, Crawford aber auch ernsthaftere Rollen gegeben. Als Protagonistin mit einem verunstalteten Gesicht in A Woman’s Face durfte sie mutig und ganz ohne Freak-Effekt beweisen, was sie konnte.
Kampfgeist und Mut zur Hässlichkeit
Der Freak-Effekt verfolgte auch Bette Davis (1908–1989) in ihren Altersrollen, zumal ihr unkonventionelles Gesicht – riesige, runde, leicht glubschige Augen, schwere Lider, hohe Stirn, verkniffener Mund – sich dafür mit dicken Make-up-Schichten leicht missbrauchen liess. Aldrich vermarktete ihn noch einmal in Hush... Hush, Sweet Charlotte, einer Art Spin-Off von Baby Jane (Crawford hatte zu seinem Leidwesen abgesagt). Doch ihr letzter Film, The Whales of August, Lindsay Andersons elegischer Abgesang auf ein intimes Schwesternleben, erlaubte ihr – und der über neunzigjährigen Lillian Gish – den würdigen Schlusspunkt einer reichen Karriere.
Auch Bette Davis galt zeitlebens als Frau, die sich gegen viele Widerstände nach oben boxte und sowohl innerhalb wie ausserhalb der Studios mit harten Bandagen focht. Auch sie scheute nicht zurück vor hässlichen Filmfiguren, die ihr keine Sympathien einbrachten; auch ihre Tochter rechnete in einem Buch hart mit der Mutter ab. Und der Zufall will, dass auch sie den Durchbruch zur Charakterdarstellerin mit einem Drehbuch versuchte, das auf W. Somerset Maugham basierte. Während Rain für Crawford aber zum Flop geriet, verkörperte Davis äusserst erfolgreich die selbstsüchtige, skrupellose Kellnerin Mildred (!) in Of Human Bondage. Mit der – unglaublich sexistischen – Inszenierung einer zerstörerischen Abhängigkeit war ihr Ruf als Schauspielerin auch für abstossende Charaktere gesetzt – als boshafte Lady, so der deutsche Titel von William Wylers Jezebel(1938), ihrer zweiten Oscar-Rolle nach Dangerous drei Jahre zuvor.
Unter andern auch dank dem unterschätzten Wyler konnte sie das Typecasting der launenhaften, hedonistischen Southern Belle immer wieder variieren. Etwa als Mörderin im kolonialistischen Upper-Class-Milieu von The Letter (wieder nach W. Somerset Maugham) und, besonders grossartig, in ihrer eiskalten Machtgier im Familiendrama The Little Foxes nach einem Stück von Lillian Hellman. (Nicht aber als Scarlett O’Hara in Gone with the Wind, für die sie auch im Gespräch war.) Vor zweihundert Jahren hätte man sie wohl als Hexe verbrannt, schrieb ein Zeitgenosse über die Wucht ihrer Energie «ohne richtiges Ventil». Da war sie erst in den Dreissigern, spielte problemlos Sechzigjährige (mit rasierten Haaren und Augenbrauen Königin Elizabeth I.) und sollte es noch, mit Hochs und Tiefs, zu einer Filmografie von über hundert Titeln bringen. Sie zeugen davon, was Roger Ebert über ihre Glanzrolle in All About Eve sagt, jenem Klassiker über die Gesetze von weiblichem Aufstieg und Fall in Hollywood: Zwar verliert die alternde Diva ihren Rang an eine junge Intrigantin, aber in der Filmgeschichte gehen sowohl sie wie Joan Crawford als Siegerinnen vom Platz, dank dem «Triumph von Persönlichkeit und Willenskraft über die oberflächliche Macht der Schönheit».
Pia Horlacher
Pia Horlacher war langjährige Filmredaktorin der NZZ.