Hollywoodkomödien der Nachkriegszeit
Mehr als ein Spass
Nach dem Zweiten Weltkrieg veränderten die gesellschaftlichen Umwälzungen und die Konkurrenz des Fernsehens in den USA die Sehgewohnheiten. Die Komödie, von Hollywoods Selbstzensur weniger streng kontrolliert als Dramen und Krimis, wurde zum Tummelfeld der Satire und zum Testlabor für neue Geschlechterrollen. Zu den prägenden Regisseuren zählten Billy Wilder, Blake Edwards und Frank Tashlin; die neuen Stars hiessen Marilyn Monroe, Audrey Hepburn und Jayne Mansfield, Jack Lemmon, Tony Curtis und Jerry Lewis.
Nach dem Ende des Krieges war die Glanzzeit der Screwball Comedy vorbei; ihre Helden waren müde. Ernst Lubitsch starb 1947. Preston Sturges drehte noch vier Filme, konnte aber nicht mehr an seine manischen Meisterwerke anknüpfen. Frank Capra immerhin schuf 1948 mit State of the Union eine letzte Komödie auf dem Niveau von Mr. Smith Goes to Washington und Meet John Doe: Seine Satire mit Spencer Tracy und Katharine Hepburn über den Tycoon Matthews, der für die Republikaner als Präsidentschaftskandidat ins Rennen geht und dank seinem unverblümten Populismus Erfolg hat, gemahnt verblüffend an jüngste Ereignisse in den USA – nur verficht Capras Held letztlich linksliberale Ideen. Auch George Cukor drehte mit Tracy und Hepburn gelungene Geschlechterkampf-Komödien, geschrieben vom Ehepaar Ruth Gordon und Garson Kanin. In Adam’s Rib (1949) streiten die Stars als liebevolle Eheleute und juristische Widersacher vor Gericht um die Gleichberechtigung der Frau. In der Rolle ihres Nachbarn Kip etablierte David Wayne nebenbei die Figur des schwulen Busenfreunds der Heldin, heute ein Standardelement jeder Romantic Comedy.
Altmeister Howard Hawks legte 1952 mit Monkey Business nochmals eine rasante Screwball Comedy vor, in der er den schon damals in den USA grassierenden Jugendwahn auf die Schippe nahm und mit Cary Grant und Marilyn Monroe zwei Generationen der Komik zusammenführte. Norman Z. McLeod, der mehrere Marx-Brothers-Filme gedreht hatte, verhalf Komikern wie Bob Hope und Danny Kaye zu Kinoerfolgen. Letzterer bewies etwa in The Secret Life of Walter Mitty (1947), wie virtuos er mit Genres, Klischees und Musik spielen konnte. Henry Koster, sonst eher für Kostümdramen bekannt, adaptierte den Bühnenhit Harvey (1950) zu einer wunderschönen, witzigen Fabel über das Recht, abseits des amerikanischen Traums glücklich zu werden.
Mit dem Scharfblick des Exilanten analysierte Billy Wilder (1906–2002) auch nach dem Krieg Verhalten und Vorstellungen von Amerikanern und Europäern. In A Foreign Affair (1948) zeigt er schonungslos, was Nazi-Politik und die Bomben der Alliierten aus dem Berlin gemacht haben, das er in Menschen am Sonntag (1930) und Emil und die Detektive (1931) zelebriert hatte: Marlene Dietrich als Barsängerin à la Lola Lola verdreht dem amerikanischen Entnazifizierungsoffizier derart den Kopf, dass er ausblendet, wie sehr sie sich mit Hitler und Konsorten eingelassen hatte (die amerikanische Regierung liess sich von Wissenschaftlern wie Wernher von Braun ähnlich bezirzen). Mit One, Two, Three (1961) kehrte Wilder im Kalten Krieg noch einmal nach Berlin zurück und mokierte sich über den Coca-Cola-Imperialismus genauso wie über die DDR-Sozialisten. Den gesellschaftlichen Entwicklungen in den USA widmete sich Wilder in The Seven Year Itch (1955), seiner Abrechnung mit dem Puritanismus und den daraus spriessenden Phantasmagorien, ebenso in The Apartment (1960), einer tragikomischen Parabel über die Verleugnung der Gefühle im real existierenden Kapitalismus.
Die Nachwuchs-Spassmacher
Zu den erfolgreichsten Komödienschöpfern der Nachkriegsjahre zählte Blake Edwards (1922–2010), der das Regiehandwerk beim neuen Medium Fernsehen erlernt hatte. Sein Spektrum reichte von Thrillern und Dramen bis zu derbem Klamauk, doch er vermengte auch gerne mehrere Genres oder Stimmungen im selben Film. So kippt Breakfast at Tiffany’s (1961) hin und her zwischen Schwank und Schmalz. Auch in Operation Petticoat (1959) wechselt Edwards wiederholt und abrupt die Tonlage; letztlich aber kann hier das U-Boot «Sea Tiger» als augenzwinkernd-nostalgisches Symbol für die Nation in gleichstellender Uniform herhalten: Die kriegsversehrte Klapperkiste, entmännlichend rosa gestrichen und mit einem bebenden Hüfthalter verzurrt, kann ihre Mission nur erfüllen, wenn alte, schneidige Ehrenmänner, junge, schlitzohrige Proleten und beherzte, BH-opfernde Frauen am gleichen Strick ziehen. Wie damals üblich, treten auch bei Edwards rassistisch angehauchte Stereotype auf, etwa der von Mickey Rooney verkörperte hasenzahnige Japaner in Breakfast at Tiffany’s oder der braun geschminkte Peter Sellers als arglos-chaotischer Inder in der Hollywood-Verulkung The Party (1968), was im heutigen Zeitalter der politischen Korrektheit nur knapp zumutbar wirkt.
Frank Tashlin (1913–1972), ursprünglich Cartoonist, setzte Technicolor ein, um seine Figuren in schrille, stilisierte Dekors zu versetzen, die an seine Trickfilmvergangenheit erinnern. Dank seinem Sinn für surreale Spässe drehte er einige der besten Filme von Bob Hope und Jerry Lewis; mit Letzterem persiflierte er 1955 in Artists and Models Amerikas Hysterie über den verderblichen Einfluss von Comics. Seine Sexposse The Girl Can’t Help It (1956) machte die Monroe-Karikatur Jayne Mansfield zum Star; in Will Success Spoil Rock Hunter? (1957) liess er die Mansfield gar sich selbst parodieren, doch in erster Linie verspottete Tashlin in dieser Satire Konsumwahn, Werbung und Promi-Kult.
Komödiantinnen für die Babyboomer
Die blonde Sexbombe war allerdings nicht der einzige Frauentyp. «Es ist interessanter, den Sex in einer Frau zu entdecken, als ihn um die Ohren gehauen zu bekommen wie bei Marilyn Monroe und ihresgleichen», sagte Alfred Hitchcock einst in einem Interview. Zu den kühlen, reservierten Blondinen, die er vorzog, zählten Grace Kelly, Doris Day und Ingrid Bergman. In Komödien erschien deren Zurückhaltung bisweilen als Prüderie, und die Männer mussten die Sexualität dieser Damen nicht nur aufspüren, sondern geradezu anwerfen. Im Musical High Society (1956) greift Bing Crosby zum Jazz, um die Kelly als Upper-Class-Zicke davon abzuhalten, einen Langweiler zu heiraten. Rock Hudson wiederum muss als Schürzenjäger in Pillow Talk (1959) vielerlei Kniffe anwenden, um die von Day verkörperte lustfeindliche Karrierefrau zu knacken; in mehrfacher ironischer Brechung mimt er in einer Szene gar den Schwulen. Ingrid Bergman wird in Stanley Donens Indiscreet (1958) vom Charmeur Cary Grant ebenfalls getäuscht, dreht dann aber genüsslich den Spiess um.
Die knabenhafte Shirley MacLaine, von Hitchcock entdeckt, trat bei Tashlin in Artists and Models als Gegenpol zum Komikerduo Dean Martin und Jerry Lewis auf, bevor ihr Billy Wilder in The Apartment endgültig zum Durchbruch verhalf. Audrey Hepburn als Inbegriff der Eleganz (Breakfast at Tiffany’s; Roman Holiday, 1953), das ungezähmte Naturweib Maureen O’Hara in John Fords The Quiet Man (1952) und die mondäne Lauren Bacall in Vincente Minnellis farbenfrohem New-York-Fresko Designing Woman (1957) runden die Palette der Protagonistinnen ab und beweisen: Gerade in den Komödien bot Hollywood den heranwachsenden Frauen der Babyboomer-Generation eine Vielfalt von Vorbildern jenseits des Heimchens am Herd und des läppischen Lustobjekts – und das zwei Jahrzehnte vor dem Aufkommen der «Women’s Liberation».
Falls Sie sich wundern, wieso einige Comedy-Klassiker in unserer Reihe fehlen, finden Sie einige Erklärungen hier. Und nachstehend folgen deshalb weitere Tipps.
Weitere sehenswerte Hollywoodkomödien der Nachkriegszeit
It’s a Wonderful Life Frank Capra, 1946
Monsieur Verdoux Charles Chaplin, 1947
Road to Rio Norman Z. McLeod, 1947
The Ghost and Mrs. Muir Joseph L. Mankiewicz, 1947
Abbott and Costello meet Frankenstein Charles Barton, 1948
I Was a Male War Bride Howard Hawks, 1949
All About Eve Joseph L. Mankiewicz, 1950
Born Yesterday George Cukor, 1950
Father of the Bride Vincente Minnelli, 1950
People Will Talk Joseph L. Mankiewicz, 1951
Pat and Mike George Cukor, 1952
Son of Paleface Frank Tashlin, 1952
Gentlemen Prefer Blondes Howard Hawks, 1953
The Moon Is Blue Otto Preminger, 1953
It Should Happen to You George Cukor, 1954
Sabrina Billy Wilder, 1954
The Tender Trap Charles Walters, 1955
The Girl Can’t Help It Frank Tashlin, 1956
The Solid Gold Cadillac Richard Quine, 1956
Auntie Mame Morton DaCosta, 1958
Some Like It Hot Billy Wilder, 1959
The Bellboy Jerry Lewis, 1960
Lover Come Back Delbert Mann, 1961
The Nutty Professor Frank Tashlin, 1963
The Fortune Cookie Billy Wilder, 1966
Michel Bodmer
Als Reeditionen sind im aktuellen Programm ausserdem zwei Hollywoodkomödien zu sehen, die für den Stil vor und nach der Zeitspanne dieser Reihe stehen: In Ninotchka (1939) zeigt Ernst Lubitsch die Kunst des Nicht-Zeigens, mit der er die Zensur des Hays-Codes subtil unterlief. Robert Altman hingegen schilderte in seiner Koreakrieg-Satire M*A*S*H (1972) die Erlebnisse der durchgeknallten Armee-Ärzte mit einigem Sex und noch mehr Blut.
In der Reihe «Das erste Jahrhundert des Films» läuft überdies Mike Nichols’ meisterhafte Satire The Graduate (1967). Coo, coo, ca-choo, Mrs. Robinson ...