Nüschelerstrasse 11, 8001 Zürich - 044 415 33 66

< Zurück

Republic Pictures: Das Porträt eines Filmstudios

Das Studio-Logo mit einem absurd grossen Adler auf einem Berggipfel, Westernfilme in allen Facetten, fiese Films noirs und Abenteuer in exotischen Gewässern: Republic Pictures war ein B-Movie-Filmstudio, das das Publikum mitreissen wollte. Geliebt nicht zuletzt von Filmschaffenden wie Martin Scorsese, zeugen die Filme von einer grossen Lust an Genrevariationen. Die Retrospektive wirft einen Blick auf dieses legendäre Studio und zeigt neben Schlüsselfilmen wie John Fords The Quiet Man (1952) oder Nicholas Rays Johnny Guitar (1954) auch zahlreiche unbekanntere Werke, die oft in restaurierten Fassungen präsentiert werden. Lukas Foerster wird in einem Vortrag am 22. Mai auf die Geschichte des Studios eingehen, und die Filmemacherin Gina Telaroli stellt am 5. Juni einige der wichtigsten Regisseure des Studios vor. Für eine erste Einführung sprach sie mit Hannes Brühwiler. Gina Telaroli Wenn wir über Republic Pictures sprechen, dann müssen wir mit Herbert J. Yates beginnen. Er war ein Geschäftsmann und besass keinen künstlerischen Hintergrund. Er wurde 1880 in Brooklyn geboren und arbeitete in seinen Zwanzigern für die American Tobacco Company. Dort verdiente er eine Menge Geld. Im Jahr 1924 gründete er dann eine Firma namens Consolidated Film Laboratories, ein Unternehmen, das Filmmaterial entwickelte. Viele kleinere Filmstudios, die B- und C-Movies produzierten, griffen auf die Dienste dieses Labors zurück. Als Yates schliesslich beschloss, sein eigenes Studio zu gründen, nutzte er seinen Einfluss, um einige dieser kleinen Studios zu zwingen, sich ihm anzuschliessen. Dies war die Geburtsstunde von Republic Pictures, ein Unterfangen, das er als Business betrachtete.

Filmpodium Zwischen 1935 und 1959 produzierte Republic 1081 Filme, was auf dem Höhepunkt seiner Produktivität einen neuen Film pro Woche bedeutete. Zu Beginn lag der Schwerpunkt auf schnell produzierten Serials und B-Movies. Republic war ein sogenanntes Poverty Row Studio, also ein Studio, das im Gegensatz zu den Majors wie MGM oder Warner Bros. nur über sehr begrenzte finanzielle Mittel verfügte.

Gina Telaroli Genau! Es ist wichtig zu wissen, wie Republic die Filme produzierte, denn es gab ganz klare Vorgaben: In sieben Tagen und für etwa 30’000 bis 50’000 Dollar wurden die günstigsten Filme gedreht, üblicherweise Western. Dann gab es Produktionen, die in zwei Wochen und für bis zu 200’000 Dollar entstanden. Die Deluxe-Filme wurden in 22 Tagen für etwa 300’000 Dollar gedreht. Und zu guter Letzt hatte Republic Premierenfilme, für die sie einen ganzen Monat Dreharbeiten einkalkulierten und die etwa eine Million Dollar kosteten. Ihr tägliches Geschäft, ihre profitabelsten Filme, das waren aber die schnell und günstig produzierten Western, in denen oft Cowboy-Stars wie Roy Rogers und Gene Autry auftraten. Ihr grösster Star war John Wayne. Er drehte mehr als 30 Filme für Yates und war damit ein sehr wichtiger Teil von Republic. Alle diese Filme machten das Studio sehr erfolgreich und legten die finanzielle Grundlage für die späteren Werke, die nicht nur aufwendiger waren, sondern auch eigenwilliger, und die man in dieser Retrospektive sehen kann.

Filmpodium Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg produzierte Republic eine ganze Reihe dieser künstlerisch mutigeren Filme. Dazu gehört auch, dass Yates sich vermehrt bemühte, bekannte Filmemacher zu gewinnen. Und so arbeiteten plötzlich John Ford, Fritz Lang, Frank Borzage oder auch Nicholas Ray für ihn.

Gina Telaroli Nehmen wir zum Beispiel The Quiet Man, den John Ford 1952 drehte – eine der Kronjuwelen von Republic. Ford versuchte seit Anfang der 1930er, diesen Film zu realisieren. Nach diversen gescheiterten Anläufen brachte John Wayne schliesslich das Projekt zu seinem alten Freund Herbert J. Yates. Yates finanzierte diesen Film in erster Linie, weil sich das Fernsehen zu einem grossen Konkurrenten entwickelte und viele der preisgünstigen Genrefilme, die für das Studio so profitabel gewesen waren, plötzlich nicht mehr rentierten. Um auch weiterhin ein möglichst grosses Publikum zu erreichen, fühlte Yates sich also unter Druck gesetzt, Filme mit höheren Budgets zu produzieren. Um dieses Ziel zu erreichen, wollte er unbedingt jemanden von John Fords Kaliber engagieren. So kam es, dass Ford sein Herzensprojekt The Quiet Man in Technicolor und an Originalschauplätzen in Irland drehen konnte.

Filmpodium Neben The Quiet Man ist Johnny Guitar von Nicholas Ray der wohl legendärste Republic-Film, ein Western, wie man ihn bis dahin noch nicht gesehen hatte und der heute zu den wichtigsten Filmen der 1950er-Jahre zählt. Doch genauso unvergesslich ist ein weiteres Kronjuwel, Frank Borzages I’ve Always Loved You.

Gina Telaroli Es ist ein Film, den Sie nie vergessen werden! Er ist weltbewegend romantisch und einer von Republics ersten Premieren-Titeln. Regie führte der grossartige Frank Borzage, und gedreht wurde in Technicolor. Wenn Sie sich auch nur ein bisschen für Kino, Musik oder Romantik interessieren, müssen Sie diesen Film sehen! Von Borzage gibts ein grossartiges Zitat zum Film: «Die Farbe überschattet die Handlung.» Er hat recht, aber meiner Meinung nach ist die Handlung auch ziemlich grossartig.

Filmpodium Die Farbe spielt auf jeden Fall eine sehr wichtige Rolle in dieser Retrospektive. I’ve Always Loved You ist ein Technicolor-Film. Aber Republic begann einen eigenen Farbfilm, Trucolor, zu entwickeln, um effizienter produzieren zu können.

Gina Telaroli Dies weil die Zusammenarbeit mit Technicolor sehr teuer und umständlich war, was die Reservierung der Ausrüstung anging. Dies führte immer wieder zu Produktionsproblemen und passte nicht mit dem rasanten Drehmodell von Republic zusammen. In den späten 1940er-Jahren wurde daher ein eigenes Farbverfahren namens Trucolor entwickelt, ein 2-Streifen-Verfahren, bei dem Rot- und Blautöne verwendet wurden. Den einzigartigen Effekt dieses Verfahrens kann man in Joseph Kanes The Plunderers von 1948 und R. G. Springsteens Hellfire von 1949 sehen. Es ist etwas sehr Besonderes, vor allem auf der grossen Leinwand.

Filmpodium Wir haben über einige der bekannten Filmemacher gesprochen. Aber die meisten Filme wurden von heute weniger bekannten Filmemachern gedreht. Man sagt, dass zehn Regisseure für 50 % aller Republic-Filme verantwortlich waren.

Gina Telaroli Dazu gehören so produktive Regisseure wie Joseph Kane, R. G. Springsteen, William Witney oder Allan Dwan, um nur einige zu nennen. Das war eine Gruppe von talentierten, hart arbeitenden Leuten. Joseph Kane zum Beispiel war der Hausregisseur des Studios und drehte einen Western nach dem anderen. Dann bekommt er ein Projekt wie The Plunderers zugewiesen. The Plunderers ist technisch gesehen ein Western, aber unter all den Cowboyhüten ist es auch ein überraschend reifes Drama über Beziehungen zwischen Erwachsenen. Was ich an einem Studio wie Republic so liebe, ist, dass man diesen riesigen Produktionsapparat hat, der sich auf das Genre konzentriert. Aber manchmal ist das Genre eben nur eine Hülle, und in dieser Hülle steckt etwas Unerwartetes und Aufregendes.

Filmpodium Auch Fair Wind to Java, ein Abenteuerfilm und einer der Lieblingsfilme von Martin Scorsese, der auf grosses Spektakel setzt, wurde von Joseph Kane gedreht. Zuerst sollte John Wayne die Hauptrolle übernehmen, doch schlussendlich war es Fred MacMurray. Und dann ist da natürlich noch die Hauptdarstellerin, Vera Ralston.

Gina Telaroli Just zu der Zeit, als Fair Wind to Java gedreht wurde, stellte das Studio Trucolor von einem 2-Streifen- auf ein 3-Streifen-Verfahren um, und Fair Wind to Java ist ein grossartiger Farbfilm geworden. Für mich sind die prägendsten Mitarbeiter des Films die zwei Männer, die für die Spezialeffekte während der Vulkan-Sequenz verantwortlich waren, die Lydecker-Brüder, sowie Vera Ralston. Sie war Yates’ Entdeckung und bald auch seine Frau. Er war berüchtigt dafür, dass er Leute zwang, mit ihr zu arbieten. Wobei sie mir immer leidtut, weil ich sie für eine gute Schauspielerin halte. Man kann nicht an Republic denken, ohne an sie zu denken. Sie kommt in so vielen Filmen vor.

Filmpodium Fair Wind to Java wurde praktisch komplett im Studio gedreht. Gleichzeitig überrascht es, wie viele Filme Republic an Originalschauplätzen drehte, was damals im amerikanischen Kino noch nicht so üblich war. Ein Film wie A Woman's Devotion, vor Ort in Acapulco entstanden, ist dafür ein sehr schönes Beispiel.

Gina Telaroli Der Film sollte ursprünglich auch Acapulco heissen. Der Regisseur Paul Henreid war allerdings unglücklich mit diesem Film. Es gab verschiedene Szenen, die ihm sehr wichtig waren, die vom Studio jedoch rausgeschnitten worden sind. Das kann ich durchaus nachvollziehen, denn es gibt definitiv Ellipsen in A Woman's Devotion. Ich bin der Überzeugung, dass die Zuschauer:innen ziemlich schockiert sein werden, wenn sie den Film sehen. Er ist aus dem Jahr 1956, aber er fühlt sich an, als wäre er ein Erotikthriller der 1990er-Jahren. Das macht ihn zu einem sehr besonderen und seltsamen Werk. Das liegt am Drehort, am Drehbuch, an den Farben und an den beteiligten Personen. Und vielleicht auch daran, dass bestimmte Szenen herausgeschnitten wurden, was ihn noch seltsamer macht.

Filmpodium Gleichzeitig ist dies ein weiteres Beispiel für einen Film, der im Mantel eines Genres eine unerwartete Geschichte erzählt.

Gina Telaroli Die von Janice Ruhl gespielte Figur ist absolut erstaunlich. Zu Beginn wirkt ihre Ehe perfekt und sie ist einfach nur glücklich. Ralph Meeker als Ehemann und sie sind beide sehr schöne Menschen. Meekers blaue Augen, die waren noch nie so blau. Dann, im Laufe des Films, erfährt sie immer mehr beunruhigende Dinge über ihren Mann. Schlussendlich geht es um ihre Hingabe zu ihm, sie muss sich gegen jede neue Information und gegen alle Widrigkeiten stellen. Dieser Figurenentwicklung zu folgen ist überaus faszinierend.

Filmpodium Das Besondere an dieser Retrospektive ist, dass neben verschiedenen Meilensteinen des Hollywoodkinos auch diverse Filme dabei sind, denen nicht der Nimbus eines Meisterwerks anhaftet.

Gina Telaroli Es ist befreiend, einen Film zu sehen, der nicht von einem bestimmten Ruf durchdrungen ist und den man nicht mit dieser riesigen Erwartungshaltung betrachtet. Während der Vorbereitungen zur MoMA-Retrospektive, an deren Programmgestaltung ich beteiligt war, habe ich John Auers Film Noir Hell’s Half Acre gesichtet. Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartet. Wenn du dir einen solchen Film anschaust, dann bist du als Zuschauer:in wirklich offen. Und ich bin der Überzeugung, dass man für diese Offenheit belohnt wird. Hell’s Half Acre hat diese interessante, fast schon schäbige Spannung, er ist voller grossartiger B-Movie-Schauspieler:innen, und er wurde auf Hawaii gedreht, teilweise in den echten Slums. Ich finde, dass man bei Republic belohnt wird, wenn man diesen Werken offen begegnet, denn es gibt immer etwas Seltsames, etwas Unerwartetes zu entdecken, etwas, das man noch nie in einem Film gesehen hat.

Gina Telaroli ist Filmemacherin und Editorin. Sie verwaltete das persönliche Videoarchiv von Martin Scorsese und war eine der Co-Organisator:innen der Republic Pictures Retrospektive, die 2018 im MoMA in New York stattfand.

Interview und Übersetzung: Hannes Brühwiler, Stv. Leitung Filmpodium