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Frauenkino Xenia – Reloaded: Hommage an ein feministisches Projekt

Das Frauenkino Xenia bestand 15 Jahre lang von 1988 bis 2003 lang im Herzen Zürichs auf dem Kanzleiareal als «Kino von Frauen für Frauen»: ein feministisches Projekt, das für die Teilhabe von Frauen an Kultur und Kulturvermittlung einstand. In dieser Zeit zeigte das Xenia, die «kleine Schwester des Xenix», 1001 Filme, zelebrierte Sisterhood und funktionierte als fliessend wechselndes Frauenkollektiv. Das neu bei Schüren erschienene Buch über das Xenia ist Anlass für eine Vernissage in Anwesenheit der Autorin Doris Senn und für ein Filmwochenende, das facettenreiche Einblicke in die Filmauswahl des Frauenkinos gibt. Mit von der Partie sind viele der Filmemacherinnen: von Kim Longinotto bis Pipilotti Rist. «Wer finanziert schon engagierte Frauenfilme, den patriarchalen Strukturen und dem Staat gegenüber kritisch oder feindlich gesinnte Filme? Sie kriegen keine Förderung, werden nicht in die Verleihe aufgenommen, werden in den Kinos nicht gezeigt», schrieben die Xenia-Gründerinnen im allerersten Programm im April/Mai 1988. Die Aktivistinnen hatten genug von «ab und zu ein Frauenfilm»: Sie wollten sich «aus den Zwischenräumen» nehmen und «Kino von Frauen und für Frauen machen» – regelmässig und mit einer Bar als Treffpunkt. Als «kleine Schwester» des Xenix bespielten sie fortan einmal wöchentlich das Kino auf dem Kanzleiareal – jeweils donnerstags – ausschliesslich für Frauen. Das Xenia bot in der Folge eine Plattform für feministisches Filmschaffen, machte Pionierinnen des Films sichtbar und stellte im Rahmen seiner Vorführungen gesellschaftspolitische Fragen zur Diskussion. In fliessend wechselnder Zusammensetzung wurde das Kino von Programmation über Projektion bis hin zur Bar von einem basisdemokratischen Kollektiv betrieben.

Feministischer Spirit

Das Xenia war Teil eines ausgreifenden Netzwerks von Frauenprojekten und Frauenfilminitiativen, welche das Kollektiv seinerseits mithalf zu gestalten und zu stärken. Das Filmprogramm, das als Hommage ans Xenia im Filmpodium zu sehen ist, bietet einen exemplarischen Querschnitt durch die im Frauenkino gezeigten Filme. Dafür stehen eine Filmpionierin wie Mai Zetterling aus den 60ern, die avantgardistischen Dokumentarfilme von Kim Longinotto und Jano Williams aus den 90ern neben dem Community- Lesbenfilm Go Fish als Perle des New Queer Cinema sowie avantgardistische Kurzfilme, die stellvertretend für die vielen Experimentalfilmprogramme stehen, die das Xenia zeigte. Mit seinen Programmen bot das Xenia aber auch immer wieder inhaltlich Provozierendes: etwa mit seinem Antizyklus «Notre haine» von 1996 über «verkorkste Frauenbilder» in aktuellen französischsprachigen Filmen. Auch das Programm «Erotisch, aber indiskret» aus demselben Jahr, das auf einen Zensurfall in der Zürcher Kunstszene reagierte, sorgte für Diskussionen: Dessen Thematisierung von Pornografie, Gender oder Sexarbeit war seiner Zeit weit voraus. Der Zyklus «Echte Kerle» von 1998 wiederum zelebrierte und hinterfragte Männlichkeit und ihre Darstellung auf der Leinwand – ein Tabubruch im Frauenkino.

Die Zeit im Wandel

Was heute nur mehr schwer vorstellbar scheint: Die 80er und die 90er waren eine Welt ohne Internet, ohne Digitalisierung. Filme waren ein physisches, auch fragiles und kostbares Gut und reisten teils als schwere Pakete um die halbe Welt. 35 Millimeter, 16 Millimeter, Super 8, verschiedenste Videoformate: Die Technik war im Wandel und machte das Vorführen zu einer anspruchsvollen Disziplin. Filme zu organisieren, war eine aufwendige Angelegenheit – und manchmal auch mit Risiken verbunden, etwa wenn aufgrund von Textbeschreibungen Filme quasi «blind» gebucht werden mussten. Zudem waren die Filme längst nicht immer und überall greifbar. Frauenfilmfestivals – etwa in Köln, Dortmund oder Paris – waren deshalb wichtige Plattformen für den Vertrieb feministischer Filme, aber auch Frauenfilmverleihe, mit denen das Xenia in engem Austausch stand. Filmregisseurinnen waren in jenen Jahrzehnten in einer eklatanten Minderzahl. In dieser Zeit machte sich das Xenia als Forum für feministische Filme einen Namen.

1998 zündete das Xenia dann ein letztes grosses Feuerwerk – filmisch und in echt – und feierte sein 10-Jahr-Jubiläum. Dann verdüsterte sich der Horizont: Ende 1999 sprach das Xenix eine Kündigung des «Untermietverhältnisses» aus. Das Xenia konnte ab Frühjahr 2000 nur noch monatlich stattfinden und verlor im September 2001 seine Stammlokalität ganz. Ein feministischer Backlash machte sich breit, und eine ganze Reihe Frauenprojekte musste Ende 90er-, Anfang 2000er-Jahre die Segel streichen. Nach einigen Monaten als «Wanderkino» löste sich der «Verein Frauenfilmclub» Ende 2002 auf und feierte mit «xenia die letzte» im Februar 2003 das Ende einer 15-jährigen bewegt-feministischen Geschichte. Für viele der Xenia-Aktivistinnen aber sollten sich die Begeisterung und die Leidenschaft für den Film als tragend erwiesen – weit über das Bestehen des Xenia hinaus.
Doris Senn

Doris Senn ist Xenia-Aktivistin, Filmjournalistin, Buchautorin und Kuratorin dieses Programms.