13 Jahre bevor er sich im oscarnominierten Au revoir les enfants der Opferseite der Judenverfolgung im Zweiten Weltkrieg widmete, hatte Louis Malle in Lacombe Lucien versucht, die Beweggründe der Mitläufer und Mittäter einfühlbar zu machen. Sein Titelheld – apolitisch, gekränkt und etwas tumb – steht stellvertretend für all jene, die Faschismus erst möglich machen.
Spieldaten: Mi, 2.6., 18:00 (Einführung: Martin Walder) // Do, 24.6., 15:00
English review
Frankreich, 1944. Lucien Lacombe, ein 17-jähriger Bauernsohn, ist ein schlichtes Gemüt; als er sich der Résistance anschliessen wollte, wurde er von dieser verschmäht. Nun ist von der Gestapo als Scherge angeheuert worden, um Flüchtige einzufangen und zu foltern. Als Lucien sich in die junge Jüdin France Horn verliebt, gerät er in ein Dilemma.
«Malles Film ist ein langer, eingehender Blick auf die Banalität des Bösen; es ist – nicht zufällig – einer der am wenigsten banalen Filme, die je gemacht worden sind. Die Handlungen werden schnörkellos inszeniert, mit Zurückhaltung – ohne den Versuch, jemanden zu schockieren oder zu beeindrucken; die Handlungen sind das, was wir bereits wussten. Die filmische Technik hat nichts besonders Magisches an sich – sie ist schlicht, frontal und nicht forciert. Der Film ist das Gesicht des Jungen. Die Magie liegt in der intensiven Neugierde und Intelligenz hinter dem Film – in Malles Erkenntnis, dass die Antworten auf unsere Fragen, wie Menschen ohne Interesse an Politik zu aktiven Mitwirkenden bei brutaler Folter werden, in Luciens pausbäckiger, schmaläugiger Miene zu finden sind und dass uns zu zeigen, worauf dieser Junge nicht reagiert, am aufschlussreichsten überhaupt sein kann.» (Pauline Kael, The New Yorker, 1974)
«Mit einer ungewöhnlichen filmischen Intensität zeichnet Malle das Porträt eines jungen französischen Kollaborateurs im Frankreich des Zweiten Weltkrieges. Der Film ist kein Urteil gegen einen Menschen, der auf der falschen Seite steht, sondern versucht die Ursachen, die sozialen Hintergründe zu erforschen und schildert auch die innere Zerrissenheit eines Menschen, der immer auf der Schattenseite stand und nun die Chance zur Selbstbestätigung sieht.» (Zoom)
Drehbuch: Louis Malle, Patrick Modiano
Kamera: Tonino Delli Colli
Musik: Django Reinhardt, Quintett Hot Club de France
Schnitt: Suzanne Baron
Mit: Pierre Blaise (Lucien), Aurore Clément (France), Holger Löwenadler (Albert Horn), Therese Giehse (Bella Horn), Stéphane Bouy (Jean-Bernard), Loumi Jacobesco (Betty Beaulieu), René Bouloc (Faure), Jean Rougerie (Tonin), Jacques Rispal (Monsieur Laborit), Ave Ninchi (Madame Georges)
139 Min., Farbe, DCP, F/d