Das erste Jahrhundert des Films: 1932
Frühe Tonfilme, späte Stummfilme und sehr unterschiedliche
Beispiele sozial engagierten Kinos umfasst unsere Auswahl aus dem Jahr 1932.
Mit der Reklame «Erster Operntonfilm – Welturaufführung» wurde Max Ophüls' Die verkaufte Braut am 18. August 1932 in München und am 2. September 1932 in Berlin lanciert. Obwohl der erste abendfüllende Tonfilm The Jazz Singer bereits 1927 Premiere hatte, war es auch fünf Jahre später noch möglich, mit «der Erste» zu werben – erst 1936 hatte sich der Tonfilm weltweit durchgesetzt.
Tatsächlich weisen die Filme unserer 1932er-Auswahl einen sehr unterschiedlichen Umgang mit dem Ton auf. In Japan hielt sich der Stummfilm, nicht zuletzt wegen der äusserst populären Benshi, einer spezifisch japanischen Form des Filmerklärers und -kommentators, länger als in den USA oder in Europa. So ist Ozus berührendes Meisterwerk Ich wurde geboren, aber… noch ganz stumm, obwohl Ozu schon mehrere Jahre als Regisseur tätig war und Heinosuke Gosho mit The Neighbour's Wife and Mine (Madamu to nyobo) bereits 1931 den ersten japanischen Tonfilm realisiert hatte.
Carl Theodor Dreyers Vampyr ist ein Beispiel für die in der frühen Tonfilmzeit realisierten Mehrsprachenversionen, eine der wichtigsten Strategien der Produzenten, die Sprachgrenzen zu überwinden, die durch den Tonfilm plötzlich an Bedeutung gewonnen hatten: Der gleiche Film wurde, meist mit verschiedenen Stars, im gleichen Dekor parallel in mehreren Sprachfassungen gedreht. Bei Dreyer allerdings blieb das Darstellerensemble unverändert – schliesslich hatte der adlige Financier des Films die Hauptrolle inne – und es ist nur die deutschsprachige Fassung erhalten.
Sehr unterschiedlich sind auch die gezeigten Beispiele eines sozial engagierten Kinos: So will Tod Brownings Freaks nicht primär Mitleid und Entsetzen mit seinen körperlich missgebildeten Protagonisten wecken, sondern ihre Menschlichkeit hervorheben, und Mervyn LeRoy deckt in I Am a Fugitive from a Chain Gang zum Teil fast dokumentarisch die erbarmungslosen Zustände im amerikanischen Strafvollzug auf; der deutsche Film Kuhle Wampe von Slatan Dudow wiederum wollte nichts weniger, als die Kehrseite des Kapitalismus vorführen. (cs)