Das erste Jahrhundert des Films: 1958
In der Dauerreihe «Das erste Jahrhundert des Films» zeigen wir im Lauf von zehn Jahren rund 500 wegweisende Werke der Filmgeschichte. Die Auswahl jedes Programmblocks ist gruppiert nach Jahrgängen, woraus sich schliesslich 100 Momentaufnahmen des Weltkinos von 1900 bis 1999 ergeben. Referenzzahl ist jeweils der aktuelle Jahrgang, d. h. im Jahr 2018 sind Filme von 1918, 1928, 1938 usw. zu sehen.
Auf dem ersten Platz der bedeutenden «Greatest Films of All Time»-Liste der britischen Filmzeitschrift «Sight & Sound» steht aktuell Vertigo – kaum zu glauben, dass der virtuos inszenierte Hitchcock-Thriller, der heute als einer der einflussreichsten Filme überhaupt umschwärmt wird, in seiner Zeit unverstanden war und lange ein Schattendasein führte. Ein anderer Regisseur, dessen Filme auch nach sechzig Jahren zu den ewig Besten zählen, ist Orson Welles. Sein Touch of Evil ist ein vielschichtiges Porträt menschlicher Beweg- und Abgründe, das nicht zuletzt wegen der verblüffenden Eröffnungssequenz in die Filmgeschichte eingegangen ist. Während Welles Vertigo gehasst haben soll, war Hitchcock von Touch of Evil so beeindruckt, dass er dessen Darstellerin Janet Leigh umgehend für Psycho (1960) engagierte.
Neben diesen beiden Schwergewichten faszinierte im gleichen Jahr Richard Brooks' Cat on a Hot Tin Roof mit einer kratzbürstigen Elizabeth Taylor, die leidenschaftlich um die Liebe ihres Mannes (Paul Newman) kämpft, und mit einer ungeschminkten, für die damalige Zeit unüblichen und mutigen Gesellschaftskritik. Ein Meilenstein des osteuropäischen Kinos gelang Andrzej Wajda mit Asche und Diamant, seinem wuchtigen Zeitbild von 1945, dessen visuelle Stilisierung dem Film auch heute noch eine ungebrochene Faszination verleiht. Im selben Jahr schuf Satyajit Ray mit The Music Room eine sinnlich stilisierte Bildsinfonie, deren Atmosphäre von Niedergang und Melancholie beinahe ansteckend ist. Eine gewisse Melancholie findet sich auch in Mon oncle, Jacques Tatis einzigartiger Satire auf die moderne, technisierte Welt, die das unbeschwerte alte Leben bedroht – eine höchst vergnügliche Komödie, die mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet wurde.
Weitere wichtige Filme von 1958:
Ascenseur pour l'échafaud Louis Malle, F
A Night to Remember Roy Ward Baker, GB
A Time to Love and a Time to Die Douglas Sirk, USA
Bonjour Tristesse Otto Preminger, USA/GB
Die Käserei in der Vehfreude Franz Schnyder, CH
Die verborgene Festung (Kakushi-toride no san-akunin) Akira Kurosawa, J
Dracula Terence Fisher, GB
Es geschah am helllichten Tag Ladislao Vajda, CH/BRD
Gigi Vincente Minnelli, USA
Hauptbahnhof (Bab al hadid) Youssef Chahine, Ägypten
I soliti ignoti Mario Monicelli, I
Iwan der Schreckliche II (Iwan Grosny) Sergej M. Eisenstein, UdSSR
Le beau Serge Claude Chabrol, F
Les amants Louis Malle, F
Sommerblüten (Higanbana) Yasujiro Ozu, J
Wir Wunderkinder Kurt Hoffmann, BRD
Tanja Hanhart