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Zur Erinnerung an Sean Connery: Marnie

Am 31. Oktober 2020 ist im Alter von 90 Jahren Sir Sean Connery verstorben. Connery, der erste und für viele Fans immer noch beste Darsteller von James Bond, tat sich bei allem Starruhm schwer damit, dass er in die 007-Schublade gesteckt wurde. Dabei bewies er bereits 1964 in Marnie, Hitchcocks «sex mystery» um eine geheimnisvolle Kleptomanin, dass er als Charakterdarsteller durchaus in die Fussstapfen von Cary Grant und Gregory Peck zu treten vermochte. «Marnie ist ein pathologisches Kunstwerk: zugleich eine Übung in Verzückung, wunderschön gestaltet, und kein schöner Anblick. Connery spielt den treffend benannten Mark Rutland, einen Verleger, der Zoologe werden wollte, und er identifiziert die Heldin Marnie, zu deren Erkennungsmerkmalen Kleptomanie und die Furcht vor der Farbe Rot gehören, als ein vielversprechendes Exemplar. ‹Ich habe dich aufgespürt und gefangen, und bei Gott, ich werde dich behalten›, sagt er ihr. All die grossen Vorbehalte, die manche gegenüber Connery hegen – Zweifel, die sich später in seiner Karriere nur zu sehr bestätigten, durch Bemerkungen, die er über das Schlagen von Frauen machte (‹Das kommt ganz auf die Umstände an›, erklärte er Barbara Walters) – werden in Hitchcocks Film vorweggenommen und erforscht. Was das Zusehen so beklemmend macht, ist die Tatsache, dass die aufkeimende Scheusslichheit bei Mark so eng mit seiner Anziehungskraft verwoben ist; so sehr wir uns auch bemühen mögen, wir können sie nicht auseinanderdröseln. In den Abgründen seiner Misanthropie liegt ein Charme: ‹Ach ja, Menschen. Ein durch und durch übler Haufen ›, bemerkt er. Als Marnie zum ersten Mal für eine Stelle in der Firma seiner Familie interviewt wird, sitzt er an einer Seite des Raumes und beobachtet sie mit einem Lächeln; er ist sich ziemlich sicher, dass er ihr schon einmal begegnet ist, er verdächtigt sie, eine Gaunerin zu sein, und er freut sich auf den Spass, der ihm bevorsteht. Und, zum Teufel, das Lächeln gewinnt.» (Anthony Lane, The New Yorker, 1.11.2020)